Warum spricht keine KosovarIn?

■ Ausrichtung der Demos muß sich ändern: Gegen Nato-Angriffe und die Politik Milosevic'

Wir rücken ab. Viele Ostermarschierer haben das Gefühl, auf der falschen Veranstaltung zu sein, und verabschieden sich, noch ehe wir uns in Bewegung setzen.

Tausende waren am Montag zum Ostermarsch gekommen. Viele auch nach jahrelanger Pause, um zu dokumentieren, daß sie für zivile Konfliktlösungen im Kosovo sind, daß sie den Kriegseinsatz der Nato verurteilen, daß sie für einen Stopp der Bombardements und für eine Beendigung der Vertreibung der Kosovo-Albaner durch das Miloevic-Regime sind.

Als serbische DemonstrantInnen sich mit nationalistischen Parolen an die Spitze des Zuges stellen, glauben viele ihren Augen und Ohren nicht zu trauen. Nicht die Ablehnung des Nato-Angriffs aus Sorge um die Zivilbevölkerung, um Freunde und Verwandte führte das Wort. „Kosovo bleibt serbisch“, gehört noch zu den harmloseren Losungen. Auf die brennende amerikanische Flagge stürzen sich natürlich alle Journalisten. Zu mehr als ungläubigem Kopfschütteln bringen auch wir Umstehenden es nicht, angesichts der fanatisierten Feuerleger.

Ich will nicht einsehen, daß diejenigen, die für einen sofortigen Abbruch des Krieges von beiden Seiten eintreten, hier falsch sind. Vor der Abschlußkundgebung schere ich dann aus – und viele mit mir. Später wird mir berichtet, welcher Redner worüber gesprochen habe: auch hier offensichtlich Blindheit gegenüber den seit Jahren stattfindenden Repressionen der Belgrader Regierung. Jemand, der zwar nicht PDS-Mitglied ist, aber mit ihr identifiziert wird, ergreift das Wort. Warum hat eigentlich kein serbischer Miloevic-Gegner gesprochen (die es doch wohl in dieser Stadt auch gibt), warum kein Kosovare? Warum eigentlich keine Serbin oder Kosovo-Albanerin, die gegen den Nato-Einsatz, aber eben auch gegen die Vertreibungspolitik und gegen diesen fürchterlichen Nationalismus ist? Ein Nationalismus, der mit Friedensbewegung unvereinbar, der die Basis der großserbischen Politik ist und durch die Nato-Angriffe verschärft wird.

Wenn wirklich der wachsende Widerstand gegen die Intervention der Nato für einen neuen Schub der Friedensbewegung genutzt werden soll, müssen sich OrganisatorInnen und TeilnehmerInnen fragen lassen, wie in Zukunft zu verhindern ist, daß ein Friedensmarsch durch Nationalisten mißbraucht wird. Daß die Nato ihre Angriffe umgehend einstellen muß, ist eine richtige Forderung – aber eben nur die eine Seite der Wahrheit. Aber wie soll von einem Friedensmarsch, der Miloevic-Anhängern ein Podium bietet, ein Signal ausgehen, daß die Politik dieses Mannes verurteilt wird?

So eindeutig, wie am Montag der Nato-Militärangriff verurteilt wurde, müssen auch die Menschenrechtsverletzungen der anderen Seite verurteilt werden – und zwar sichtbar: im Aufruf, auf den Transparenten und in den Reden.

Sibyll Klotz, Bündnisgrüne