Keine Demo mit Nationalisten

■ Wo der Ausschluß der NationalistInnen nicht möglich ist, bedarf es der eindeutigen Distanzierung. DemonstrantInnen selbst müssen Stellung beziehen gegen die großserbischen Parolen

Die rührend naive Aufforderung „Mütter, schützt Eure Söhne“ der Initiative „Mütter gegen Krieg“ bildet das winzige pazifistische Feigenblatt an der Spitze des Berliner Ostermarschzuges.

Ein kläglicher Versuch zu kaschieren, was danach kommt: serbische und jugoslawische Fahnen sonder Zahl, die vier kyrillischen S, deren bloßer Anblick allen BosniakInnen das Blut in den Adern gerinnen läßt: Der großserbische Slogan „Nur gemeinsam sind wir Serben stark“, für den die vier Buchstaben stehen, wurde überall dort hinterlassen, wo 1992 und 93 in Bosnien die einheimische Bevölkerung vertrieben und von den Häusern nur rauchende Stümpfe zurückblieben. Unter SSSS-Fahnen darf 1999 bei einer deutschen Friedensdemonstration das Kosovo auf Papptafeln und Transparenten als Herz Serbiens, als serbisches Jerusalem beschworen werden, begleitet von „Jugoslavija“- und „Srbija“-Sprechchören. Dazwischen unschuldige blaue Luftballons mit dem Emblem der internationalen Friedensbewegung. Mit „Erst die Juden! Jetzt die Serben!“ und „Serbien wird niemals sterbien“ wird der serbische Opfermythos gefeiert.

Aber auch hinter den SerbInnen richtet sich kein Transparent gegen die Vertreibungs- und Vernichtungspolitik von Miloevic, fordert niemand, ihn vor ein internationales Kriegsgericht zu stellen, fordert niemand die Öffnung der Grenzen für die kosovarischen Vertriebenen. Die bombenden Nato-Staaten können sich rühmen, nicht nur die serbische, sondern auch die westeuropäische Opposition verblödet zu haben.

Die Abschlußkundgebung ist ein einziger Skandal. Der ehemalige DDR-Botschafter in Jugoslawien weiß nichts von einem Jahrzehnt völkischer Repression gegen die Kosovo-Albaner, den Strom der fliehenden Menschen führt er einzig und allein auf die Nato-Bomben zurück. Der in Berlin lebende amerikanische Vietnam-Deserteur bedient den deutschen Masochismus: deutsches Morden in Serbien 1941 und 43, deutsches Morden heute. Haß gegen die Serben, Sympathie für die kroatische Ustascha, gestern wie heute. Und Serbien das einzige Ostblockland, das wacker der kapitalistischen Weltordnung widersteht. Der Schutzherr ethnisch beflügelter Schlächter, Slobodan Miloevic als letztes Bollwerk des Sozialismus – und die PDS-Fahnen wehn dazu.

Soll der Ostermarsch 1999 noch nicht der Abgesang der deutschen Friedensbewegung sein, müßte jede weitere Teilnahme serbischer und sonstiger NationalistInnen an Demonstrationen und Mahnwachen strikt untersagt werden.

Wo das nicht geht, bedarf es einer eindeutigen Distanzierung und differenzierten Betrachtung der Hintergründe des gegenwärtigen Krieges, in dem Miloevic sich gegen die Nato-Schläge aus der Luft mit der Vertreibung, Vergewaltigung und Vernichtung Hunderttausender auf dem Boden rächt. Die meisten von uns wissen zuwenig etwa über die Geschichte und die Aktivitäten der UÇK. Damit wir uns eine Meinung bilden können, brauchen wir eine Nachdenklichkeit, die möglichst bemüht ist, sich der Kriegshysterie zu entziehen. Daß die SerbInnen von der immer brutaler werdenden Bombardierung ihrer Städte nicht begeistert sind, kann ich verstehen. Daß die geschockten vertriebenen Albaner nach noch mehr Bomben rufen, auch. Wir jedoch, die wir den Luxus genießen, jede Nacht ruhig schlafen zu können, sollten diese Gnade dazu nutzen, unsere Gefühle und unsere Hirne möglichst effektiv miteinander zu verschränken. Erica Fischer

Autorin von „Aimee & Jaguar“ und „Am Anfang war die Wut. Ein Frauenprojekt im Krieg“