Nie mehr zu Mercedes

■ Zur Diss mit Fabrikarbeit und Übersetzung

Lee Yang Kim haßt Klimaanlagen. Das war nicht immer so. Aber seitdem er im vergangenen Jahr neun lange Wochen damit verbracht hat, im Akkord Klimaanlagen in Autos von Mercedes einzubauen, kann er diese Dinger nicht mehr sehen. „Mein Kopf war am Ende des Arbeitstages immer so leer, daß ich keinen klaren Gedanken mehr fassen konnte.“ Ein Effekt, der nicht gut für Kims Promotionsprojekt in Bremen war.

Kim hofft, daß er die schlimmste Durststrecke nun hinter sich gebracht hat. Seit 1992, als er zum Studium der Schellingschen und Hegelschen Philosophie aus Seoul nach Gießen und kurz darauf nach Bremen zog, ist es ihm und seiner Frau immer gelungen, die 18.000 Mark zusammenzukratzen, die sie brauchen, um ein Jahr lang über die Runden zu kommen. Und das ohne Stipendium, Uni-Job oder Unterstützung der Eltern. Bis Ende 97 hat Kim sein Geld problemlos durch Übersetzungen philosophischer Bücher ins Koreanische verdient. Bis zu 8.000 Mark pro Buch hat ihm der Verlag bezahlt. Dafür mußte er jeweils knapp zwei Monate lang den Vormittag übersetzen, der Rest des Tages blieb für die Arbeit an der Dissertation. Doch seit Beginn der Asienkrise hat die koreanische Währung Won fünfzig Prozent ihres Wertes verloren. Und da Kim seinen Lohn in Won und nicht in Mark ausgezahlt bekommt, verschlechterten sich mit einem Schlag seine Existenzbedingungen dramatisch. Kim sah sich zwungen, Klimaanlagen zu montieren. Zwei Jahre, schätzt der 32jährige, hat er durch die diversen Nebenjobs verloren. Die Finanzlücke wollen er und seine Frau durch eine Anstellung auf dem Messegelände in Hannover schließen. Im Oktober, hofft er, wird er seine Diss einreichen können. Mercedes bleibt eine Anekdote. zott