Jobben für die tägliche Schrippe

■ Morgens um sieben bei den Heinzelmännchen. StudentInnen drängeln sich in Schlangen. Denn immer mehr von ihnen müssen neben dem Studium arbeiten, um sich über Wasser zu halten

So stellt man sich den Bildungsbürger von morgen nicht vor: Übermüdet, unrasiert, von einem Bein aufs andere tretend, immer noch hoffnungsfroh, daß es heute endlich klappen könnte. Wer morgens ab sieben einen Blick in die Büros der studentischen Jobvermittlungen Heinzelmännchen oder Tusma wirft, bekommt einen groben Eindruck davon, wie dringend viele StudentInnen auf der Suche nach einer zusätzlichen Einnahmequelle sind. Da gehen langweilige Bürojobs für einen Tag ebenso schnell weg wie die begehrten Jobs auf dem Bau, da helfen welche beim Umzug, andere stehen hinter der Kasse. Die Löhne liegen selten über dem durchschnittlichen Tarif für selbsternannte Nachhilfelehrer.

Daß immer mehr StudentInnen neben ihrem Studium arbeiten, bestätigt ein Blick in die jüngste Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks in Zusammenarbeit mit dem Hochschul-Informationssystem (HIS): Zwei Drittel der Studierenden in Westdeutschland und 56 Prozent in Ostdeutschland sind erwerbstätig. Nur 18 Prozent finanzieren sich aus anderen Quellen, in der Regel mit dem Geld der Eltern. Gleichzeitig steigt das Durchschnittsalter der Studierenden. Waren 1993 nur knapp 20 Prozent älter als 27 Jahre, lag ihr Anteil 1997 bei den Männern bei 31, bei den Frauen bei 25 Prozent.

Laut Studentenwerk arbeiten nicht nur mehr Studenten – allen voran jene, die das immer knapper werdende Bafög beziehen – sie verdienen auch mehr Geld als früher: Der Durchschnittsverdienst lag 1994 noch bei 331 Mark. Bis 1998 stieg er auf 417 Mark. Außerdem gilt: Je älter der Student, desto größer sein Arbeitsaufwand. Erstens zahlen Eltern weniger, zweitens fallen ältere Studenten aus der Bafög-Förderung heraus.

Dabei machen Studierende in der Mehrzahl keine Jobs, die sie ihrem Berufsziel inhaltlich näherbringen: Nur 41 Prozent der Erwerbstätigen haben etwas gefunden, das überwiegend oder vollständig in Zusammenhang mit ihrem Studium steht. 44 Prozent jobben als Aushilfen, 23 Prozent arbeiten als studentische Hilfskraft.

Nach eigenen Angaben ist für 63 Prozent der erwerbstätigen Studierenden der Job für ihre Grundsicherung unerläßlich. 1991 war das nur bei 52 Prozent der Fall. Damals hatten dafür weit mehr Befragte als heute angegeben, mit dem Verdienst „höhere Ansprüche“ befriedigen zu wollen.

Ein Blick auf die steigenden Lebenshaltungskosten zeigt, daß Studenten heute mehr Geld brauchen: In den alten Ländern gibt der durchschnittliche Student 1.238 Mark aus; in den neuen Ländern 1.009 Mark. Grund sind vor allem die wesentlich günstigeren Mieten: Im Osten werden dafür im Schnitt 320, im Westen 452 Mark bezahlt. Zweitgrößter Posten sind Essen und Trinken, vernachlässigenswert dagegen die Ausgaben für Lernmittel mit durchschnittlich 61 (West) beziehungsweise 53 Mark (Ost) monatlich.

Die Erhebung des Studentenwerks zeigt auch den Unterschied zwischen Groß- und Kleinstadt: Wer in einer Großstadt lebt, gibt im Schnitt 350 Mark monatlich mehr aus: 1.425 Mark. Der durchschnittliche Bafög-Bezieher findet im Osten monatlich 529, im Westen 610 Mark auf seinem Konto. Die Schlangen vor den Jobvermittlungen werden immer länger. Jeannette Goddar