Colonia-Dignidad-Mitglieder verhaftet

■ Chilenische Justiz ermittelt wegen Mißbrauch und Entführung

Santiago de Chile/Berlin (AFP/rtr/taz) – Die chilenischen Behörden haben am Dienstag abend sieben Mitglieder der berüchtigten Deutschensiedlung Colonia Dignidad im Süden Chiles festgenommen, unter ihnen auch den Arzt und stellvertretenden Siedlungschef Hartmut Hopp. Gegen die sieben wird im Zusammenhang mit sexuellem Mißbrauch von Minderjährigen und Behinderung der Justiz ermittelt.

Sechs Siedlungsmitglieder hätten sich freiwillig gestellt, teilte Ermittlungsrichter Hernán González mit. Ihnen wird die Beteiligung an der Entführung des minderjährigen Rodrigo Salvo vorgeworfen, der seit Januar 1997 verschwunden ist. Gegen Hopp und einen weiteren Arzt werde wegen des gewaltsamen Todes einer Frau ermittelt, deren Kinder von Siedlungschef Paul Schäfer vermutlich sexuell mißbraucht wurden, so González.

Unterdessen durchsuchte die Polizei das etwa 1800 Hektar große Gelände der Colonia Dignidad auf der Suche nach drei weiteren flüchtigen Bewohnern und dem Siedlungschef. Schäfer, der seit 1996 untergetaucht ist, wird mit internationalem Haftbefehl gesucht. Ihm werden Vergewaltigung mindestens neun Minderjähriger und Mitwirkung bei der Folterung und Ermordung von Gegnern der Militärdiktatur vorgeworfen. Es wird unter anderem vermutet, daß er sich in einem Tunnelsystem unter dem Gelände der Colonia versteckt hält.

Wolfgang Kneese, ehemaliger Insasse und aktiver Gegner der Colonia, äußerte Zweifel an der Bedeutung der Verhaftungen: „Das Problem ist, daß die chilenische Justiz immer noch dem Geist der Pinochet-Ära verpflichtet ist.“ Schäfer sei ein alter Freund des Ex-Dikators. Der ehemalige Nazi-Hauptmann hatte 1961 die Colonia Dignidad gegründet. Heute leben auf dem Gelände 230 Kilometer südlich von Santiago rund 300 Menschen. hedi