Bloß nicht vom Krieg profitieren

■ Wie die PDS versucht, ihren jüngsten Mitgliederzuwachs wegzuerklären

Es ist aber auch ärgerlich. Zu anderen Zeiten könnte sich die PDS ungehemmt freuen: 276 neue Mitglieder in den vergangenen zwei Wochen. Doch es ist Krieg. Deshalb sitzt Parteichef Lothar Bisky vor einem Haufen Mikrofone und windet sich. Auf keinen Fall will er den Journalisten den Happen hinwerfen, auf den sie lauern: Die PDS profitiert vom Krieg.

Nein, es ist alles ganz anders. Die PDS hat an diesem Donnerstag morgen eigens den smarten Parteivize Dieter Dehm und die Vorzeige-Punkerin der PDS im Bundestag, Angela Marquardt, aufgefahren, um andere Gründe für den Mitgliederzuwachs zu präsentieren. Wer seit Beginn des Kosovo-Krieges der PDS beigetreten sei, habe der Partei ohnehin schon nahegestanden. Viel ausschlaggebender, verkünden Dehm und Marquardt einig, war – der Rücktritt von Oskar Lafontaine. Die Befürchtung, daß jetzt die unteren Einkommensklassen belastet würden, „hat bei vielen das Interesse an der PDS geweckt“.

Auf Umwegen nähert sich Lothar Bisky der Befürchtung an, die PDS könne womöglich ein Kriegsgewinnler sein. „Doch auf so elende Weise möchte ich nicht vom Krieg profitieren.“ Ihm sei es lieber, die Mitgliederzahl bliebe gleich, sagt er treuherzig, wenn es dafür keinen Krieg gäbe. Für die Europawahlen, das leugnet er nicht, rechne die PDS allerdings mit zusätzlichen Stimmen. „Aber wir hätten sie so gerne auf andere Weise gewonnen.“ Man könnte Mitleid mit dem Mann kriegen.

Wenn er sich nicht so klar im Aufwind sähe. Als einzige Partei in Deutschland geschlossen gegen den Nato-Angriff zu sein ist besser als jede Werbekampagne. Deshalb kann es sich Bisky auch leisten, die SPD zu düpieren. Koalitionen mit diesen „Kriegstreibern“? Der PDS-Chef zögert. Das Verhältnis zur SPD sei „bombengeschädigt“. Stärker legt sich Bisky nicht fest. Dehm dagegen hält sowohl die SPD als auch die Grünen auf Bundesebene nicht mehr für koalitionsfähig mit der PDS.

Mit Außenminister Joschka Fischer hat das einstige hessische SPD-Mitglied ohnehin noch eine Rechnung offen. Hat es doch sein ehemaliger Wahlkreis-Konkurrent nicht nur gewagt, ihn vor Journalisten als „Zweckpazifisten“ zu bezeichnen. Nein, er hat angeblich auch behauptet, Dehm sei wegen Stasi-Spionage aus der SPD geworfen worden. Das will Dehm nicht auf sich sitzen lassen. Weil das Parteiverfahren gegen ihn eingestellt wurde, hat er Fischer eine Unterlassungsklage an den Hals gehängt. Die beiden Frankfurter kennen sich: „Einst mußte ich als Ostermarsch-Ordner Leuten wie Fischer die Wurfgeschosse aus der Hand nehmen.“ Jutta Wagemann, Berlin