Und nachmittags ins Einkaufszentrum

Wege und Orte für Mädchen in Billstedt und Horn: Schülerinnen haben ihren eigenen Stadtplan entworfen. „Daumen runter“ zeigt Plätze an, die es zu meiden gilt  ■ Von Elke Spanner

Das „Haus der Jugend“ duckt sich hinter der Rückfront des Einkaufszentrums Billstedt wie eine sturmgebeugte Eiche hinter den schützenden Berg. Daß hier Streetball gespielt werden könnte, behauptet der Mädchenstadtplan „Girlzone“ gar nicht erst. Zwar gibt es dafür einen Korb – aber mit parkenden Autos darunter. Claudia zuckt gleichgültig die Schultern. „Hier gehen wir sowieso nicht hin“, sagt sie, „wegen den Jungs.“

Obwohl heute kein Mädchentag ist, betritt sie ausnahmsweise mit ihren Freundinnen Derya und Agnes das „Haus der Jugend“. Desinteressiert blicken die drei auf die jüngeren Mädchen und Jungs, die Billard spielen. Eine Betreuerin kommt auf sie zu. Geraucht werden, sagt sie, darf erst ab 18 Uhr. Die drei finden das in Ordnung. Ein Grund zu gehen ist es dennoch.

Den Weg weist „Girlzone“, der Plan für Mädchen in Billstedt und Horn. Seit gestern wird er im Stadtteil verteilt. Derya, Claudia und Agnes haben daran mitgearbeitet. Auf die Anregung zweier Sozialpädagoginnen hin haben rund 80 Mädchen zusammengetragen, was ihnen in Billstedt gefällt und was nicht. Mit Videokameras und Fotoapparaten sind sie durch die Straßen gezogen, haben die Orte aufgespürt und aufgezeichnet, die in „Girlzone“ jetzt mit Symbolen bezeichnet sind. Mit einem grinsenden Mädchengesicht etwa, wenn hier nur Mädchen Zutritt haben. Mit einem Rollschuh, wenn Sport getrieben werden kann. Mit einem Kleid für Shoppingmeilen. Und einem nach unten gerichteten Daumen, wo eine „badzone“ ist, in der sich „dringend was ändern muß“.

Der Haupttreffpunkt für Mädchen ist das Einkaufszentrum (EKZ) Billstedt, eine überdachte Passage mit dem Flair der Kurzwarenabteilung eines Billigkaufhauses. Gleich rechts am Eingang ist eine Drogerie. Davor lauern Sonderangebote. Agnes zieht eine Tube aus dem Angebotsständer. „Joop, nur 20 Mark“, murmelt sie. Und legt das Schnäppchen dann doch zurück. „Zum Einkaufen kommen die meisten Mädchen gar nicht hierher“, sagt sie. „Die hängen hier rum.“ Wo die von Läden gesäumten Gänge zusammenlaufen, deutet ein Blumenkübel mit roten Buschrosen einen Ort der Entspannung an. Rundum stehen Holzbänke. „Hier sitzen sie den ganzen Nachmittag“, sagt Derya geringschätzig. Früher hat sie das auch getan, „als ich jünger war“, sagt die Vierzehnjährige. Heute „unternehme ich lieber was, gehe ins Kino oder zu Mc Donald's“.

Dabei bietet Billstedt einige Treffpunkte für Mädchen, an denen sie mehr tun können als nur die Langeweile zu vertreiben. „In Via“ ist ein reiner Mädchentreff, das „Haus der Jugend“ und der „Timo Jugendclub“ bieten wöchentlich einen Tag nur für Mädchen an, das Stadtteilprojekt „Sonnenland“ ebenso. Die meisten kennen trotzdem nur das EKZ.

Als sie den Mädchenstadtplan entwarfen, führten Claudia, Derya und Agnes Interviews mit Mädchen am Billstedter Platz. Fragten sie, ob sie ihre Tage dort verbringen und warum. „Die wußten gar nicht, daß es Einrichtungen für Mädchen gibt“, war Claudia verblüfft. Trotz der Tristesse hat das EKZ keinen „Badzone-Daumen“ bekommen.

Dringend was ändern muß sich jedoch am U-Bahnhof Billstedt, mahnt „Girlzone“ an: „Pöbelei, Schmutz und dumme Anmache kriegen die rote Karte!“. Auch wer hier nicht verweilen, sondern davoneilen will, kann nicht erleichtert aufatmen. Vor allem abends. „Die Bänke hier sind Treffpunkte für, naja, sagen wir betrunkene Männer“, beschreibt Claudia vorsichtig, warum sie bei Dunkelheit immer in Sorge ist, den Bus zu verpassen, der ihr den Fußweg ersparen würde. In Sichtweite des Bahnhofs gibt es nur eine einzige Laterne. Die nächste ist rund 50 Meter entfernt.

Derya faltet „Girlzone“ zusammen. Sie muß nach Hause. Gerne würde sie anrufen und darum bitten, länger bleiben zu können. Doch das geht nicht. „In ganz Billstedt gibt es keine Münzsprecher mehr“, sagt sie genervt. 20 Pfennig hätte sie ja oft bei sich. Aber welches Mädchen hat schon sechs Mark für eine Telefonkarte übrig?