Ein Kraftwerk für fast jeden Keller

■  4.000 Stunden im Jahr sollte der Motor schon laufen, dann rentieren sich Blockheizkraftwerke auch für Mehrfamilienhäuser. Die untere Grenze der Wirtschaftlichkeit liegt bei 1.000 Quadratmeter Wohnfläche

Für Michael Sladek beginnt der Atomausstieg im Keller. Mit kleinen Kraftwerken in Wohnblocks, Privathäusern und Gewerbebetrieben möchte der Arzt aus dem Schwarzwaldort Schönau den Stromkonzernen beweisen, daß Atomstrom verzichtbar ist. Sladek ist der Kopf der Schönauer „Stromrebellen“. Im Juli 1997 gaben diese dem angestammten Stromversorger Kraftübertragungswerke Rheinfelden den Laufpaß, um ihre eigenen, ökologisch orientierten Stadtwerke zu gründen. Die ersten Erfolge der neuen Strompolitik sind bereits sichtbar: Binnen einem Jahr gingen in Schönau fünf neue Blockheizkraftwerke (BHKW) ans Netz – für ein Dorf mit 2.500 Einwohnern eine ganze Menge.

Durch ihre Energieausbeute bringen BHKW den Ausstieg tatsächlich näher. Denn anders als bei Großkraftwerken, die im Durchschnitt 60 Prozent der verheizten Energie als Verluste in die Umwelt verpulvern, gehen bei den Blockheizkraftwerken nur 10 bis 15 Prozent durch Umwandlungsverluste verloren. Der Trick: Sie erzeugen nicht nur Strom, sondern zugleich auch Wärme.

Lange wurden Blockheizkraftwerke fast ausschließlich in Größenordnungen zwischen 100 Kilowatt und mehreren Megawatt angeboten, weshalb sie auch nur für Großbetriebe interessant waren. Inzwischen haben die Hersteller auch den Markt der kleinen Anlagen entdeckt. Das kleinste Modul mit 5,5 Kilowatt elektrischer und 12,5 Kilowatt thermischer Leistung bietet seit anderthalb Jahren die Schweinfurter Fichtel & Sachs-Tochter Senertec an. Knapp 1.200 solcher Anlagen wurden seither verkauft. Man bekommt sie wahlweise für Gas- oder Dieselbetrieb. Bleibt die Frage: Für wen rechnet sich ein solches Keller-Kraftwerk?

„Wenn das Kraftwerk 4.000 bis 5.000 Stunden im Jahr läuft, ist es finanziell rentabel“, sagt BHKW-Freund Sladek. Auch Dieter Fehlau von der Energiewerkstatt in Hannover rät zu ähnlichen Laufzeiten. Diese würden aber nur erreicht, wenn eine Anlage für 20 Prozent der maximal notwendigen thermischen Leistung dimensioniert sei. „Größere Anlagen stehen zu häufig still und werden unrentabel“, erklärt er. Ingenieur Fehlau, dessen Unternehmen bereits einige hundert BHKW installiert hat, zieht die Grenze der Wirtschaftlichkeit anhand der Wohnfläche: „1.000 Quadratmeter sollten es schon sein.“

Das Einfamilienhaus mit BHKW wird daher die Ausnahme bleiben. Denn allenfalls dort, wo ein Schwimmbad oder eine Sauna mit zu versorgen ist, liegt der Wärmebedarf hoch genug, um die Anlage auf eine rentable Jahreslaufzeit zu bringen.

Auch in Zukunft wird sich das nicht ändern. Im Gegenteil: Je besser die Wohnhäuser gedämmt werden, um so unrentabler wird ein eigenes Wärme-Kraftwerk. Entsprechend hat die Firma Senertec auch noch keine zwei Dutzend ihrer BHKW für Einfamilienhäuser verkauft.

In größeren Gebäuden allerdings sind die Anlagen ebenso wirtschaftlich wie ökologisch sinnvoll. Entsprechend machen sich die Bauherren der Republik zunehmend Gedanken über die kleinen Kraftpakete: Ob in der Katholischen Akademie in Freiburg, einer Metzgerei im fränkischen Schwebheim oder dem ersten „Ökotel“ Deutschlands in Hamburg – im Gewerbe werden immer mehr dieser Powerblöcke installiert. Speziell bei einem hohen und konstanten Wärmebedarf rechnet sich die Investition. Die besten Voraussetzungen finden sich bei Hotels, Kliniken, Instituten, Schwimmbädern, Gewerbebetrieben, aber beispielsweise auch in größeren Wohnanlagen. Die Wärme wird vor Ort genutzt, der Strom zum Teil ebenso. Überschüssiger elektrischer Saft wird ins Netz gespeist.

Ein wichtiger Faktor für die Wirtschaftlichkeit eines Blockheizkraftwerkes sind die Strombezugskosten. Wer mit dem Kraftwerk einen möglichst hohen Anteil seines Stromeinkaufs ersetzen kann, profitiert am meisten. Denn jede Kilowattstunde weniger aus dem Netz spart rund 25 Pfennig. Jede eingespeiste Kilowattstunde bringt dagegen meist weniger als 10 Pfennig. Der Wärmepreis ist für die Kalkulation kaum relevant, weil er bei einem BHKW mit 4 bis 5 Pfennig je Kilowattstunde ähnlich hoch liegt, wie bei einer klassischen Öl- oder Gasheizung. Bei der Wärme gilt alleine: Das Kraftwerk sollte nur laufen, wenn die Wärme gerade benötigt wird.

Aber Wirtschaftlichkeit ist oft auch eine Frage der Definition. Das muß Ingenieur Michael Backe von der Firma Senertec immer wieder erfahren, wenn er Interessenten die Vorzüge eines BHKW nahezubringen versucht: „Für die Großindustrie sind nur Anlagen rentabel, die sich innerhalb von zwei Jahren amortisieren, der Privatmann gibt sich oft mit 10 Jahren noch zufrieden, und der Handwerker liegt irgendwo dazwischen.“ Backe rät, die Anlagen so zu dimensionieren, daß sie sich spätestens in fünf bis sechs Jahren amortisieren – und das gelinge bereits in vielen Einsatzbereichen. Entsprechend prägen zweistellige Wachstumsraten die Branche. Ende 1997 waren bundesweit 4.200 Anlagen in Betrieb, die es zusammen bereits auf eine elektrische Leistung von 6.100 Megawatt bringen. Soviel, wie fünf Atomkraftwerke leisten. Bernward Janzing

Die Firma Senertec hat ein Diagramm entwikkelt, aus dem die jährlich eingesparten Stromkosten ersichtlich sind. Info: Senertec GmbH, Carl-Zeiß-Straße 18, 97424 Schweinfurt, Tel (0 97 21) 6 51-0, Fax: -2 03Das Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung bietet eine BHKW-Simulation per Computer an. Eine Demoversion gibt es im Internet unter http://www.zsw.e-technik.uni-stuttgart.de