Über allen Wipfeln ein Siegel

■  Auch in Deutschland kommt die Zertifizierung von Öko-Holz in Schwung. Für Waldbesitzer ist es ökologisch und auch ökonomisch bedeutsam. Vorsicht vor FSC-Fake

Im deutschen Wald wird derzeit nachhaltig gestritten. Und zwar um die Bedeutung und die praktische Umsetzung des Modewortes „Nachhaltigkeit“. Es stammt aus der Forstwirtschaft und besagte ursprünglich, daß nicht mehr Holz eingeschlagen werden darf als nachwächst. Doch die Karriere des Wortes seit der UN-Umweltkonferenz von Rio de Janeiro hat es mit neuen Inhalten gefüllt. Seitdem diskutieren Waldbauern und Naturschützer, Förster und Baumarktketten über Waldbaumethoden und Gütesiegel, über die Verpflichtung und Freiheit des Eigentums sowie die Sicherung von Absatzchancen.

Holz im Wert von über drei Milliarden Mark wird jährlich in Deutschlands Wäldern geschlagen, die ein Drittel der Fläche der Bundesrepublik ausmachen. Gut die Hälfte davon gehört dem Staat oder öffentlichen Körperschaften. 46 Prozent sind in Privatbesitz und werden von 450.000 meist landwirtschaftlichen Betrieben bewirtschaftet. Wirtschaftlich geht es den meisten deutschen Waldbesitzern nicht gut. Sie müssen sich gegen die Konkurrenz aus Skandinavien oder Kanada behaupten, in denen Holz im großen Stil gewonnen und billig auf den Weltmarkt gebracht wird. Nun werben ausländische Anbieter auch noch zunehmend damit, daß ihr Holz nicht mehr aus Raubbau und Kahlschlag stammt, sondern aus Wäldern, die kontrolliert nachhaltig bewirtschaftet werden.

Garantieren soll dies der 1993 von Vertretern von Umweltverbänden, der Holzindustrie und indigenen Völkern gegründete Forest Stewardship Council (FSC) mit seinem Siegel, das seit 1996 auf dem Markt ist und mit dem weltweit bisher rund 12 Millionen Hektar Wald ausgezeichnet wurden. Grundlage für die Zertifizierung sind zehn Grundsätze zur nachhaltigen Waldwirtschaft, die jeweils von nationalen FSC-Gruppen konkretisiert werden müssen. In Deutschland hat eine Arbeitsgruppe aus Umweltverbänden, Waldbesitzern und Holzverarbeitern inzwischen solche nationalen Richtlinien erarbeitet; die ersten Waldflächen erhielten im vergangenen Winter das begehrte FSC-Siegel. Bisher sind es vor allem kommunale Forstbetriebe, die sich von unabhängigen Gutachtern überprüfen lassen und sich verpflichten, naturnahe Wälder zu fördern, auf Kahlschläge, Monokulturen und Chemieeinsatz zu verzichten, Totholz im Wald zu belassen und Maschinen nur schonend einzusetzen.

Daß im FSC Umweltverbände wie Greenpeace oder WWF vertreten sind, macht ihn in den Augen der offiziellen Waldbesitzerverbände suspekt. Die Zertifizierung sei „lediglich ein Einflußinstrument der beteiligten Umweltorganisationen“ und eine „zusätzliche naturschutzrechtliche Veradministrierung der Forstwirtschaft“, heißt es in Stellungnahmen der Arbeitsgemeinschaft deutscher Waldbesitzerverbände (AGDW). Abgelehnt wird die einzelbetriebliche Zertifizierung, nicht nur wegen der vermuteten hohen Kosten, sondern weil die Vorgaben für die Bewirtschaftung als Eingriff in die Eigentumsrechte gesehen werden. Ziel ist ein Siegel, das die Wälder ganzer Regionen auszeichnet und den Waldbesitzern konkrete Auflagen bei der Bewirtschaftung möglichst erspart. Vorbild dafür ist das Herkunftszeichen „Holz aus nachhaltiger Forstwirtschaft. Gewachsen in Deutschlands Wäldern“. Es darf von jedem deutschen Waldbesitzer für sein Holz verwendet werden. Zusätzliche ökologische Auflagen gibt es keine, da nach Auffassung der AGDW die deutschen Waldgesetze eine ordnungsgemäße und nachhaltige Waldbewirtschaftung garantieren würden.

Um gegenüber dem international agierenden FSC nicht ins Hintertreffen zu geraten, haben die Waldbesitzerverbände und Vertreter der Forstwirtschaft aus 14 Ländern eine paneuropäische Initiative zur Entwicklung eines Systems zur Zertifizierung nachhaltiger Forstwirtschaft (PEFC) gegründet. Ähnlich wie beim FSC soll aufgrund von Rahmenkriterien eine nationale und regionale Zertifizierung erfolgen. Obwohl es noch keine konkreten Richtlinien gibt, hofft Martin Strittmatter, Geschäftsführer des Deutschen Forstwirtschaftsrates, bis Ende des Jahres ebenfalls zertifizierte Flächen vorweisen zu können. Unterstützt werden die Bestrebungen von einigen konservativen Länderministerien, während das Bundeswirtschaftsministerium sich offiziell neutral verhält.

Derweil beginnt FSC-Holz den deutschen Markt zu erobern. Der Otto-Versand bietet Gartenmöbel mit dem FSC-Siegel an, in OBI-Baumärkten gibt es daneben auch noch Kleinmöbel und Fenster, und mehrere Hersteller bieten Parkett an oder Leimholz zur Weiterverarbeitung. Voll auf den Durchbruch des FSC-Siegels setzt die Firma Sanforst. Sie eröffnete in Stavenhagen in Mecklenburg-Vorpommern eine neue Parkettfabrik, die nur FSC-Holz verarbeiten soll. Den Waldbesitzern der Region bietet die Firma Unterstützung bei der Zertifizierung an. Ziel ist es, das Holz in Zukunft aus einem Umkreis von 150 Kilometern zu beziehen. „Die Resonanz der Kunden ist phantastisch“, freut sich Geschäftsführer Christian Brueck über die Nachfrage von Architekten, Projektentwicklern und Vermarktern. Er sieht hier, vergleichbar dem ökologischen Landbau, eine Marktnische mit einem großen Entwicklungspotential. Und eine Chance für den Standort Deutschland: „Wir können den im internationalen Vergleich hohen Preis für unsere Produkte nur rechtfertigen, wenn wir eine Wertigkeit liefern, die über den reinen Produktcharakter hinausgeht.“

Doch erfolgreiche Marken werden gern gefälscht. Das passiert Calvin Klein und Boss genauso wie dem FSC. Im letzten Jahr fielen beispielsweise Tchibo und das Einrichtungshaus Habitat, eine Ikea-Tochter, auf gefälschte FSC-Siegel herein. Das angebliche FSC-Teakholz für die Gartenmöbel kam aus Indonesien; dort gibt es aber gar keinen Betrieb, der zertifiziert ist. Der Tropenholzanteil unter den 12 Millionen Hektar FSC-Wald ist gering und kommt bisher aus Brasilien und Papua-Neuguinea. Auch beim Vorzeigeprojekt Buhnenbau in Rostock war nur ein kleiner Teil der 1,4 Millionen Mark teuren brasilianischen Acaricuara-Baumstämme FSC-Holz. Der Rest wurde vom Lieferanten aus konventionellen Betrieben zugekauft. Aufgedeckt haben die Betrugsfälle nicht der FSC oder der WWF, sondern kleine Initiativen wie Pro Regenwald oder Robin Wood. Leo Frühschütz