Drohung mit Notstand

■ Venezuelas Präsident Chavez verlangt vom Parlament Sondervollmachten

Caracas (dpa/AP/taz) – Der neue Staatspräsident von Venezuela, Hugo Chavez, hat einen „Wirtschaftsnotstand“ für den Fall angekündigt, daß das Parlament des Landes ihn nicht mit Sondervollmachten zur Bekämpfung des Finanzdefizites von 8 Milliarden Dollar ausstattet. Für ein entsprechendes Notstandsdekret, das alle in der Verfassung verankerten Bürgerrechte außer Kraft setzen würde, gebe es „eine Wahrscheinlichkeit von 99 Prozent“, erklärte der Linksnationalist Chavez (44) am Donnerstag in Caracas: „Das hängt davon ab, welche Antwort mir der Kongreß in den nächsten Tagen gibt.“

Die Abgeordneten der großen Parteien betonten postwendend, sie seien nicht bereit, Chavez noch größere Vollmachten zuzugestehen. Das Parlament hatte bereits vor zwei Wochen ein Gesetz verabschiedet, das dem Präsidenten Sondervollmachten zubilligte. Dieser legte aber sein Veto ein, weil es ihm nicht weit genug ging, um, wie er sagte, „die tiefste Krise unseres Landes in diesem Jahrhundert“ zu lösen.

Beobachter und Politiker der Oppositionsparteien warnten in den vergangenen Tagen, Präsident Chavez plane einen kalten Staatsstreich mit einer Auflösung des Kongresses.

Der frühere Putschist und Oberstleutnant Chavez, der Venezuela seit Februar mit einer Kongreßmehrheit von nur 32 Prozent regiert, entgegnete, er wolle mit einer Reihe von Sondermaßnahmen die Wirtschaftskrise bekämpfen und ein „humanes Wirtschaftssystem“ schaffen.

Präsident Chavez will unter anderem neue Steuern einführen, den Staatsapparat verkleinern, ein Gesetz zum Schutz von Investitionen erlassen und mit den ausländischen Gläubigern Umschuldungsverhandlungen führen. In dem einst für lateinamerikanische Verhältnisse wohlhabenden Ölland wuchs der Anteil der in Armut lebenden VenezolanerInnen seit Ende der achtziger Jahre stetig auf zuletzt über 80 Prozent. hedi