Den USA gehen die Cruise-Missiles aus

Es wird immer deutlicher: Die Nato- und US-Streitkräfte sind nicht nur von der großen Flüchtlingswelle aus dem Kosovo überrascht, sondern auch nicht für einen länger anhaltenden Krieg vorbereitet  ■ Aus Washington Peter Tautfest

Warum haben die Nato-Strategen nicht die Flüchtlingsströme und die eigene Unfähigkeit vorausgesehen, die Vertreibung der Kosovo-Albaner aus der Luft stoppen zu können? Warum gab es keine Pläne für Auffanglager, Zelte, Decken und Medikamente? Und wo ist der „Plan B“ für den inzwischen längst eingetretenen Fall, daß die erste Welle der Bombardements statt des gewünschten den gegenteiligen Effekt hatte?

Daß „Plan B“ wohl gar nicht ausgearbeitet wurde, dürfte an beschränkter Voraussicht liegen. Daß er aber – selbst wenn er vorläge – gar nicht durchzuführen wäre, liegt an der Begrenztheit militärischer Mittel. Denn als die Bodentruppen, die ja nie zum Einsatz kommen sollten, schließlich doch ins Gespräch kamen, rechneten Militärfachleute schnell vor, daß Truppen in der benötigten Größenordnung gar nicht so schnell eingesetzt werden könnten. Es gibt dafür weder Lager, Stützpunkte, Bereitstellungsräume noch Transportkapazitäten – vom nicht vorhandenen politischen Konsens mal ganz abgesehen.

Nun soll statt der Bodentruppen eine „Wunderwaffe“ helfen, die Apache-Hubschrauber, die schon im Golfkrieg gegen irakische Panzer eingesetzt wurden. „Wir können die ganz schnell einsetzen“, versprach Pentagon-Sprecher Kenneth Bacon am vergangenen Dienstag. Schnell genug, um der weiteren Entvölkerung des Kosovo vorzubeugen? „Nun ja, so in vierzehn Tagen.“ Vorgestern mußte Bacon dann zugeben, daß noch nicht einmal feststehe, wo die Kampfhubschrauber stationiert würden und wie sie dahinkommen könnten. Es gibt nämlich weder angemessene Flugplätze noch freie Transportkapazitäten. Denn der Flughafen in Tirana wird ebenso wie die Transportflugzeuge zum Einfliegen von Hilfsgütern gebraucht.

Die Nato steht vor der peinlichen Alternative, entweder den Flüchtlingen zu helfen oder zu verhindern, daß noch mehr Menschen zur Flucht getrieben werden. Die hochgezüchteten Waffen sind zudem sehr personalintensiv. 2.600 Soldaten sind für den Einsatz von zwei Dutzend dieser Hubschrauber nötig – die ersten sind am Donnerstag aus Deutschland aufgebrochen. Die U.S. Army aber ist durch die Stationierung von friedenssichernden Truppen in Bosnien und Makedonien schon arg belastet – nicht anders als die U.S. Air Force durch das Überwachen der Flugverbotszonen im Irak sowie die Navy durch ihre Patrouillen im Golf. Die Air Force mußte Flugzeuge aus der Türkei abziehen und den Flugzeugträger „Roosevelt“ vom Golf in die Adria verlegen, wofür wiederum die „Kitty Hawk“ sich vom Pazifik auf den Weg in den Golf machen mußte. Das dürfte Saddam Hussein nicht entgangen sein.

Auch die mächtige U.S. Army braucht so triviale Dinge wie Munition. Doch daran hapert es. Die Cruise-Missiles werden knapp – jedenfalls jene, die aus der Luft abgefeuert werden. Nachdem vom 24. März bis zum 1. April 50 der zwei Millionen Dollar teuren Raketen abgefeuert wurden, sank der Vorrat auf knapp 100 Stück. Neue stehen erst wieder 2003 zur Verfügung. Allerdings stehen noch ca. 2.000 seegestützte Cruise Missiles zur Verfügung. 44 Milliarden Dollar gab die Air Force in den vergangenen zehn Jahren für die Modernisierung ihrer Bomberflotten aus, aber nur 1,3 Milliarden für Präzisionsmunition. 500 Milliarden sollen für die Entwicklung von drei neuen Flugzeugtypen ausgegeben werden, doch es fehlt an Ersatzteilen, Munition und Personal.

Der Krieg zeigt, wie weit USA und Nato noch von ihren Zielen entfernt sind, zwei Kriege gleichzeitig führen zu können und über vielseitige Truppen zu verfügen, die auch Friedenssicherung, Konfliktmanagement und technische Hilfsdienste wahrnehmen können. Bisher zeigen sich die US- und Nato-Streitkräfte als hardware- orientierte Militärapparate, die eher über ihren eigenen Waffenpark stolpern, als zu kreativem Konfliktmanagement fähig sind.