Kommentar
: Versuch und Irrtum

■ Kosovo: Joschka Fischers Ziel ist richtig. Aber kennt er den Weg?

Während normaler Debatten zu normalen Zeiten ehrt es einen Diskutanten, wenn er eingesteht: „Ich weiß es nicht.“ Wenn hingegen Joschka Fischer auf die Frage eines Fernsehjournalisten, ob nicht vielleicht doch Nato-Bodentruppen im Kosovo eingesetzt werden, eben diese Antwort gibt, sollte nicht seine Soveränität bewundert, sondern er sollte als politisch Verantwortlicher in Anspruch genommen werden. Denn wir befinden uns in keiner Situation entspannten Dialogs, sondern im Krieg.

Nichts ist jetzt fataler als Unklarheit über die Frage, mit welchen Mitteln und welchem Ziel der Konflikt im Kosovo gelöst werden soll und wer als Ansprechpartner auf serbischer Seite gilt. Einerseits wird gefordert, Milošević dem Kriegsverbrechertribunal in Den Haag zu überstellen. Dann aber scheidet er als Verhandlungspartner aus. Kriegsziel wäre damit der Sturz seines Regimes – mit allen militärischen und politischen Konsequenzen, auch hinsichtlich der Unabhängigkeit des Kosovo. Oder gilt Rambouillet noch, das heißt Autonomie des Kosovo im serbischen Staatsverband, beschützt durch Nato-Truppen? Dann bleibt Milošević die richtige Adresse, obwohl er zweifellos Kriegsverbrechen größten Ausmaßes begangen hat (was schon bei Abschluß des Dayton-Abkommens klar war). Mit Milošević verhandeln: ja oder nein? Auch hier bekennt Fischer: „Ich weiß es nicht.“

„The uncertain trompet“, unsichere Melodie, nannte der Ex-US-Stabschef Maxwell Taylor eine solche Art von Kriegszielpolitik. Erst wird uns suggeriert, das Nato- Bombardement werde Milošević zur Unterschrift zwingen, ein Landkrieg sei ebenso unerwünscht wie überflüssig. Eisern hält man an dieser Position fest, um es sich vielleicht morgen doch anders zu überlegen. Rußland soll, so Fischer, unbedingt einbezogen werden. Aber wie? Mit einem Truppenkontingent im Kosovo? Nur diplomatisch? Keine Ahnung.

Statt eindeutiger Vorgaben „trial and error“. Statt politischer Strategie moralische Haltungen. Es ehrt Fischer, wenn er den Bruch mit der Politik des Wegschauens und Schönredens fordert, die Europa mehrfach in diesem Jahrhundert zur Schande gereicht hat. Ja zur menschenrechtsorientierten Außenpolitik. Aber jetzt kommt es darauf an, glasklar den politischen Weg zu bestimmen. Und bitte: keine Gewissensprüfung vor der Glotze, keine Politik in der ersten Person. Sie interessiert jetzt nicht. Christian Semler