Hermes sucht nach Gott

■ Und Sex sucht er auch. Der österreichische SM-Star Hermes Phettberg ist wieder da und feierte am Wochenende in der Bar jeder Vernunft eine heitere Messe gegen die Einsamkeit

Lange hat man nichts mehr von ihm gehört. Hermes Phettberg: Ex-Klosterbruder, Ex-Beamter, Ex-Mediensau mit Kultstatus. Vor vier Jahren setzte das ORF seine „Nette Leit“-Talkshow ab und still wurde es um den dicken Plauderer, der eigentlich nur zwei Themen kannte: seine Dauerdepressionen und SM-Sex. Jetzt ist er wieder da: mit den gleichen Themen und einem hochgesteckten Ziel. „Phettberg rettet die Religion“ heißt am Wochenende sein Mitternachtsprogramm in der „Bar jeder Vernunft“.

Phettberg selbst hat sich in einem Interview mal als jemand bezeichnet, der gern glauben „können würde“: Hermes – ernsthafter Gottessucher also. In seinem Programm geht er noch einen Schritt weiter: Im kompletten Ornat mit Mitra und Krummstab betritt er die Bühne und verkündet weihrauchschwenkend: „Das ist keine lustige Show.“ Zur Unterstreichung des ernsthaften Anspruchs hat er sich einen Freund mitgebracht, den Schriftsteller Christian Schreibmüller. Der bietet den religiösen Schwärmereien Phettbergs die Stirn der skeptischen Vernunft und liefert die Stichworte. Diesmal lauten sie „Befleckung“ und „schuldbewußter Blick“.

Dabei ist sein Gegenüber so unbefleckt und unschuldig wie die Mutter Gottes: In seinem trägen Leib lebe eine Kinderseele, hat ihm eine Psychologin bestätigt. Und so springt der Kinder-Tor von Geschichtchen zu Geschichtchen. Von der Zugfahrt nach Berlin zur Kaiserin Zitta, weiter zur Fragwürdigkeit von Fernsehquoten und wieder zurück. „Fett schwimmt oben“ und Phettbergs Geist über den Wassern. Auch wenn er manchmal den Faden verliert – über hauchdünne Assoziationsbrücken landet er immer wieder da, wo er aufgehört hat, und das ist meistens die Strecke Wien – Berlin, der liebe Gott oder Sex.

Spätestens wenn er von seinem ersten Liebesabenteuer mit dem Dorfschornsteinfeger erzählt, glaubt auch der abgebrühteste Großstadtbewohner, daß Phettberg die Enttäuschung darüber, daß der Päderast dem kleinen Hermes den Hintern nicht versohlte, immer noch nicht verwunden hat.

Daß zur Premiere von der Direktion keine Blumen auf die Bühne geschickt wurden, wird ihm das Herz gebrochen haben. Aber was braucht die Inkarnation Madonnas schon Treibhausrosen. Veilchen vom Himmel werden auf seinen Wegen regnen, denn so lustig war Andacht bislang noch nie. Dafür ein dreifaches Ave für den leidenden Menschensohn Hermes. Gegrüßt seist du, Schmerzensreicher, und gebenedeit sei dein träger Körper und die Frucht deines Geistes. Halleluja. Gerd Brendel