Basistheater Ost

■ Das theater 89 eröffnet eine neue Bühne auf einem Fabrikgelände im Bezirk Marzahn

Wie feiert ein Theater Geburtstag? Mit einer Premiere. Und manchmal sogar mit der Eröffnung einer neuen Spielstätte: Das theater 89 wird zehn Jahre alt und spielt demnächst nicht nur in Mitte, sondern auch in Marzahn. Am 6. Mai 1989 fanden sich in Ost-Berlin, damals noch Hauptstadt der DDR, Schauspieler, Regisseure und Bühnenbildner zusammen, die auf das Einerlei der Staatsbühnen keinen Bock mehr hatten. „Ein freies Theater zu gründen war in der Endphase der DDR kein Problem“, erinnert sich Hans-Joachim Frank, künstlerischer Leiter des theater 89.

Die Off-Bühne hat sich schnell um die Uraufführung von Gegenwartsstücken verdient gemacht. Bestes Beispiel ist Oliver Bukowski, den das theater 89 mit entdeckt hat und dessen neue Stücke stets auf dem Spielplan der „89er“ stehen. Mit Erfolg. Publikum und Kritik klatschen Beifall.

„Londn – L. Ä. – Lübbenau“ zeigte das theater 89 beim Mülheimer Dramatikerfestival, und für dieses Jahr sind sie mit Bukowskis „Gäste“ eingeladen. Hans-Joachim Frank war 13 Jahre lang am BE, bis er dort 1987 kündigte. Der Einfluß Brechts ist unübersehbar. „Der soziale Gedanke ist bei uns zentral“, sagt Frank. „Nur für die Szene spielen ist uns zu wenig.“

Da hieß es Koffer packen und raus ins Brandenburger Land. „Wir wollten sehen, wie die Ostproblematik 100 Kilometer außerhalb Berlins aussieht“, erklärt Frank. Mit Tourneen durchs Land war das allein nicht zu bewerkstelligen. Also suchten die Theatermacher eine eigene Spielstätte und fanden „Das Haus“ in Niedergörsdorf nahe Jüterbog. Das Gebäude, einst von den Nazis erbaut und nach dem Krieg von den Russen bewohnt, erlebte am 19. März die Brandenburger Premiere der Tragödie „Gäste“. 300 Menschen, zur Hälfte aus Berlin und aus der Region, sahen zu.

„Es muß gelingen, Theater zu machen, mit dem sich die Leute identifizieren können“, sagt Frank. Das scheint zu klappen. Stücke zur Wende- und Nachwendezeit sowie zur sozialen Lage in Ostdeutschland haben dem theater 89 stets ein volles Haus beschert. „Wir wollen für Menschen spielen“, erklärt der künstlerische Leiter, „die nicht mehr ins Theater gingen, weil ihre Probleme auf der Bühne nicht mehr behandelt wurden.“ Das versucht man nun also in Marzahn.

Warum ausgerechnet Marzahn? „Ach“, sagt Hans-Joachim Frank, „es hätte auch Hellersdorf sein können. Aber in Marzahn fanden wir eben eine geeignete Spielstätte.“ Nur im Osten mußte es sein. Der neue Spielort ist eine alte Kantine einer Bremsenfabrik in der Landsberger Allee 399. Die nicht mehr genutzte Kantine ist in einem Bürokomplex aus der Nazizeit untergebracht, den die DDR mit 70er Jahre Bauschick verschönerte. „Geschichte pur“, freut sich Hans- Joachim Frank. Passend wird am 30. April der Einstand mit der Premiere von Heiner Müllers „Anatomie Titus Fall of Rome“ gegeben. 20 Marzahner Schüler spielen mit. Und am 6. Mai gibt es die Berliner Premiere von Bukowskis „Gäste“.

Das alles ist finanziell abgesichert, fand sich doch das theater 89 kürzlich auf der neuen Senatsliste zur Konzeptförderung wieder. Das bedeutet Geld für die nächsten vier Jahre, „das optimal genutzt wird“, wie Hans-Joachim Frank verspricht. Das bedeutet neben der neuen Spielstätte allein fünf neue Produktionen in diesem Jahr. So ist zum Beispiel Christoph Heins „Bruch“ angekündigt. Und ob mit Müller, Hein und Bukowski den Marzahnern wirklich das Theater geboten wird, „mit dem sie sich identifizieren können“, wird sich bald zeigen. Andreas Hergeth

Wir wollten einfach sehen, wie die Ostproblematik 100 Kilometer außerhalb Berlins genau aussieht