Wiederaufnahme

■ Sieg des qualitätsbewußten Zuschauers: Die schnöde abgesetzte "Ally McBeal" kommt wieder

Lang ist die Liste der Fernsehserien, die beinahe als Versager auf der Strecke geblieben wären, mit der Zeit aber ungeheure Popularität erlangten. „Star Trek“ ist das bekannteste Beispiel, und auch „Akte X“, heute ein überaus profitables Unternehmen, war anfangs von Absetzung bedroht.

Keine Schande also, wenn die tragikomische Anwaltsserie „Ally McBeal“ einen zweiten Anlauf benötigt. Im Grunde sind die vorangegangenen Vorkommnisse sogar bezeichnend für das Wesen der Titelheldin. Vor einem Jahr stellte sich die junge Juristin dem deutschen Publikum vor, wurde aber trotz ihres gewinnenden Naturells wenig beachtet. Nicht zuletzt deshalb, weil sich das Gros der Zuschauer lieber von rohen Ballspielen gefangennehmen ließ.

Zwischen 220.000 und 620.000 qualitätsbewußte Menschen zeigten Gefallen an den Geschichten um Recht und emotionale Unordnung. Nicht genug für den Spät- Sendeplatz. Folglich erging die einstweilige Verfügung, die Prozeßserie nach gerade mal 10 von 23 angekündigten Episoden abzubrechen. Der Sender Vox aber irrte in der Annahme, so etwas bliebe unbemerkt. Nach 300 geharnischten E-Mails gab man das Zählen fürs erste auf. Auch animose Briefpost wurde hereingetragen, und zwar noch übers ganze Jahr hinweg. Trotz geringer Publikumsberührung hatte sich der McBeal-Bazillus in Deutschland ausgebreitet. Wer über Aufzeichnungen der Episoden verfügte, wurde bedrängt und um Leihgabe gebeten; unverhofft erwärmten sich selbst Menschen für die Gattung Fernsehserie, die ansonsten am ehesten mit Kulturmagazinen für das Medium zu gewinnen sind.

Trotz der Absendung gab man sich auch bei Vox weiterhin eingenommen von der Serie. Ein neuer Sendeplatz aber konnte erst nach einer Änderung des Programmschemas gefunden werden, bei der Alexander Kluges DCTP ein Wort mitzureden hatte. Darin liegt dem Sender zufolge begründet, daß Anwältin McBeal erst jetzt, ein Jahr nach ihrem Ersterscheinen, zur Revision bitten kann.

Noch mal von vorn: Ally McBeal ist aufstrebende Anwältin. Sexuelle Übergriffe eines Arbeitgebers lassen sie zu einer Sozietät junger Anwälte wechseln, nicht ahnend, daß auch ihr Jugendfreund Billy dort arbeitet. Seinetwegen hatte sie das Studium begonnen, und noch immer hegt sie gewisse Gefühle. Eine fatale Angelegenheit, denn Billy ist längst verheiratet. Ally kann Billys Angetraute nicht ausstehen; die Antipathie beruht auf Gegenseitigkeit – und wird Basis einer sonderbaren Freundschaft.

Das Konzept stammt von David E. Kelley, einem Meister des Fachs, der seine Erzählungen mit versponnenen Ideen anreichert und gern auch satirische Haken schlägt. Wer also weiterhin über schlechtes Fernsehen schimpfen will, wird sich fernhalten müssen von „Ally McBeal“. Harald Keller

Pilotfilm heute, 20.15 Uhr, dann dienstags, 22.05 Uhr, Vox