Das datierte Frühstücksei

■ Vier junge Fotokünstler zeigen in Bremerhaven vier sorgfältig arrangierte Varianten zur Bewegung in der Fotografie

Der gefrorene, der festgehaltene Augenblick ist nicht nur das, wonach Fotoreporter, Paparazzi oder Kriegsberichterstatter um die ganze Welt jagen. Der Schnappschuß hat auch die Kunstgeschichte der Fotografie geprägt. Eine Ikone dieses Genres ist Robert Doisneaus „Kuß“, obwohl dieser Kuß kein Zufall sondern sorgfältig arrangiert war. Und ebendieses wohlkalkulierte Arrangement und das Spiel mit Grundlagen des Fotografierens stehen bei den vier jungen KünstlerInnen, die jetzt in der Bremerhavener Kunsthalle Fotoarbeiten zeigen, im Mittelpunkt.

Christine Bernard, Gabor Csaszari, Arpad Dobriban und Frank Fenstermacher wollen die Zeit nicht stillstellen. Sie sichern nicht die einmalige Geste, das Ereignis, den Unfall. Sie wollen sichtbar machen, was im Foto üblicherweise unsichtbar gemacht wird: Die Zeit in Bewegung, die die abgelichteten Objekte unscharf macht und verwischt.

Frank Fenstermacher hat sich mit der Kamera auf einen Bahnhof gestellt und mit einer Belichtungszeit von vier Sekunden Züge und Reisende aufgenommen. Da gehen Menschen in die Breite, und Züge werden auf diesen Fotos zu langen Farbbändern.

Arpad Dobriban benutzt für seine Licht-Kästen die uralte Technik der „camera obscura“. Wegen ihrer sehr langen Belichtungszeiten erscheinen bei dieser Technik nur feststehende Dinge scharf, während Menschen in Bewegung nur schwache, kaum sichtbare Schatten hinterlassen.

Auf den ersten Blick originell ist ein Arrangement von Gabor Csaszari. Der Absolvent des Art Institute Chicago hat seine Kamera in einem Brücken-Bogen mit Blickrichtung auf die Passanten angebracht. Sie erscheinen auf einer meterlangen Fotowand als schwerelose Engel, die ins Himmelblaue – oder aus dem Himmel herab – schweben.

Christine Bernhard – in Düsseldorf Meisterschülerin des Videokunst-Pioniers Nam June Paik, kapriziert sich auf eine Pointe. Ihre „Tafelbilder“ zeigen Detailaufnahmen von arrangierten Nahrungsmitteln. Sie versieht ihre Bilder von Salat, Gemüse oder Brot jeweils mit einem Datum und zieht sie auf Frühstücksbretter-Format auf, so daß sie zu einem Diarium der täglichen Ernährung werden.

Ein hübsches Spiel ist das, aber ist es auch mehr als ein Spiel? Und die Suche nach der vergehenden Zeit auf Bahnhöfen und vor Straßenbahnen? Ist das mehr als eine formale Trickserei? Der Berichterstatter ist unschlüssig. Er kann nur die Fragen und die Empfehlung weitergeben, sich die arrangierten Bewegungen in der Kunsthalle Bremerhaven anzusehen.

Hans Happel

„Ein Moment sind zwei Sekunden – Zeitaufnahmen“ bis zum 25. April in der Kunsthalle Bremerhaven, Karlsburg 4