Im Designerbus zu Figaro

■ Angst vor neuem Spiel, aber keine vor dem Knöllchen: Bremerhavens neuer Theaterspielplan für ungewöhnliche Orte

Eine außergewöhnliche Spielzeit mit außergewöhnlichen Orten erwartet das Publikum des Bremerhavener Stadttheaters. Weil das Große Haus zwecks gründlicher Sanierung für ein Jahr geschlossen wird, verteilen sich Musiktheater, Schauspiel und Ballett auf mehrere Spielstätten. Das Opern- und Operettenpublikum wird ab September in die von den Amerikanern geräumte Carl-Schurz-Kaserne gebeten, wo zum Auftakt die „Hochzeit des Figaro“ gegeben wird.

Mit zwei hitverdächtigen Operetten, mit einem selten gespielten Frühwerk von Verdi (Ernani), mit Bellini, Bizet und einem Piaf-Musical wird auf große Namen gesetzt, um das Publikum für den weiten Weg in den Norden der Stadt zu gewinnen.

Für PKW-Benutzer verspricht Intendant Peter Grisebach paradiesische Verhältnisse: „Ohne Angst vor dem Knöllchen direkt vor der Tür parken zu können, gewährleistet kein anderes Theater in Europa.“ Wer kein Auto fährt, kann sich vom Theaterbus vor dem Stadttheater kostenlos in die Kaserne transportieren lassen. Der Bus wird von den DesignerInnen des Bremerhavener Design-Büros gestaltet, gelegentlich sollen Schauspieler zusteigen und während der Fahrt auf den Theaterabend einstimmen (Grisebach: „Ein Überraschungspaket“).

Nur wenige hundert Meter vom Stammhaus entfernt schlägt das Schauspiel seinen vorübergehenden Hauptsitz auf. Oberspielleiter Wolfgang Hofmann zieht mit seinem Ensemble in den neugebauten „City-Port“ am Geeste-Ufer. Im Service-Center für überwinternde Segeljachten wird es zunächst schwergewichtig-düster. Shakespeares „Macbeath“ in der Version von Heiner Müller eröffnet die Spielzeit im Oktober. Danach „Der zerbrochene Krug“, „Parzival“ von Tankred Dorst, „Nathan der Weise“.

Große Stoffe, große Stücke – von der Metzelei zur Erziehung des Menschengeschlechts. Das Kinderstück zur Weihnachtszeit („Peterchens Mondfahrt“) und das in die neue Spielzeit übernommene Elvis-Musical laufen in der nüchternen Stadthalle.

Im TiF gibt die Schauspielerin Christel Leuner ab November die Lale-Andersen-Story als One-Woman-Show. Ebenfalls im TiF bietet Ballet-Chef Ricardo Fernando einen Tango-Tanztheaterabend an, Rimskij-Korsakows „Scheherezade“ und „Der wunderbare Mandarin“ von Bela Bartok laufen in der Carl-Schurz-Kaserne.

Dort wird Generalmusikdirektor Leo Plettner in seiner letzten Spielzeit einige seiner Lieblingswerke dirigieren, darunter Mahlers Fünfte, Bruckners Siebte und Brahms „Deutsches Requiem“. „Eine schwierige Spielzeit“, kündigt Grisebach an.

Unter dem Motto „Theater in der Stadt“ wird vor allem auf Bewährtes gesetzt – wenig Neues, wenig Provozierendes und sehr wenig für Jugendliche. Vielleicht wächst der Mut zum Risiko, wenn die Renovierung des Bremerhavener Stadttheaters nach der Jahrtausendwende abgeschlossen ist. Hans Happel