SPD: Zerrissen wie nie zuvor

■ Bremer Sozialdemokraten für und gegen Kosovo-Waffenpause

Nach fünf Minuten war alles gesagt: Vor dem gesamten SPD-Parteitag stellte sich gestern Bremens SPD-Landeschef Detlef Albers gegen SPD-Landesvater Henning Scherf – und plädierte in Bonn für eine befristete Feuerpause im Kosovo. Damit solle man Serbenführer Milosevic Bedenkzeit für den Friedensplan von UN-Generalsekretär Kofi Annan geben, forderte Albers vor den rund 500 Delegierten. SPD-Bürgermeister Henning Scherf hatte zuvor parteiweite Zustimmung für die Politik der Bundesregierung angemahnt.

Ein Disput, der sich schon vor einer Woche angebahnt hatte. Da hatte der Bremer SPD-Landesvorstand bundesweit in einer Resolution den Schluß von NATO-Einsätzen gefordert. Die Resolution floß gestern auf dem Bonner Parteitag in einen gemeinsamen Antrag der SPD-Linken rund um den „Frankfurter Kreis“ und die JUSO-Vorsitzende Andrea Nahles – fand aber wie erwartet nicht die gewünschte Mehrheit (siehe taz-überregional).

Zerrissen sei eben auch die SPD in der Kosovo-Frage, sagte nach der Abstimmung SPD-Landeschef Albers. Die Erklärung Scherfs habe ihn daher nicht überrascht: Scherf hatte sich auf dem Parteitag für die Bundesregierung und damit für den Leitantrag aus dem SPD-Bundesvorstand stark gemacht. „Nie wieder Krieg“ laute zwar seine erste politische Botschaft noch aus Kindertagen. „Aber bis heute stehe ich dazu, daß das nur geht, wenn es eine politische Lösung dazu gibt.“ UN-Generalsekretär Annan sei daher nun die „einzige, realistische Chance“.

Das sahen zwei der fünf Parteitagsdelegierten aus Bremen ähnlich: Jens Böhrnsen aus Bremen-Nord und Marlies Marken aus Bremerhaven schlossen sich Scherf und dem Leitantrag an. Die drei Delegierten aus Bremen-Stadt votierten dagegen für den Alternativ-antrag. „Einseitiger Waffenstillstand“ könne nur ein „mißverständlicher Weg sein“, so Böhrnsen. Er hätte sich auch bei der anschließenden Wahl eindeutig zum neuen Parteivorsitzenden Gerhard Schröder bekannt. Dessen schlechtes Wahlergebnis von 76 Prozent hätte mit der Kosovo-Debatte nichts zu tun, meinte der SPD-Innenpolitiker.

In dieser Frage zumindest waren sich die SPDler dann selten einig: Auch Landeschef Albers bezeichnete derlei Mutmaßungen als „Kaffeesatzleserei“. Er hätte es von Anfang an für eine „falsche Kopplung“ gehalten, die Wahl Schröders – wie jüngst vom Bremer SPD-Ortsverein Buntentor gefordert – vom NATO-Kampfstopp abhängig zu machen. kat