Regelvollzug oder Freigang im Stall

Nordrhein-Westfalen klagt vor dem Verfassungsgericht gegen Legebatterien für Hühner, weil diese gegen den Tierschutz verstoßen. Bundeslandwirtschaftsminister Funke setzt dagegen auf eine europäische Lösung  ■   Von Bernhard Pötter

Berlin (taz) – Haben die gefiederten Eierproduzenten in deutschen Legebattereien einen Anspruch auf artgerechte Haltung, wie sie im Tierschutzgesetz gefordert wird? Das ist die zentrale Frage, wenn heute vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eine Normenkontrollklage des Landes Nordrhein-Westfalen gegen die deutsche „Hennenhalteverordnung“ verhandelt wird. NRW und Umweltverbände erhoffen sich von dem Urteil die Befreiung der Hühner aus den Käfigen – das Bundesministerium für Landwirtschaft dagegen setzt nur auf europaweite Verbesserungen der Haftbedingungen für die Tiere.

Insgesamt etwa 43 Millionen Legehennen sind in deutschen Eierbetrieben zusammengepfercht. Sie liefern 80 Prozent des deutschen Verbrauchs von insgesamt 14 Milliarden Eiern pro Jahr. Die Legebatterien, in denen die Tiere auf 450 Quadratzentimetern, drei Viertel der Größe eines DIN A4-Blattes, gehalten werden, sind bisher ganz legal, weil die Hennenhalteverordnung eine Richtline der EU umsetzt. Doch diese Umsetzung verstößt nach Meinung von Nordrhein-Westfalen gegen das deutsche Tierschutzgesetz. Dort nämlich wird die „verhaltensgerechte“ Unterbringung und der Schutz der Tiere gefordert. „Kaum eine Haltungsmethode ist so verhaltenswidrig wie die Käfighennenhaltung“, sagt NRW-Landwirtschafts- und Umweltministerin Bärbel Höhn. „Artgerechtes Verhalten wie Scharren, Picken, geschützte Eiablage, Ruhen auf Sitzstangen oder Sandbaden sind so nicht möglich.“ Ein Urteil der Verfassungsrichter gegen die Hennenordnung, so hoffen das Land NRW und die Tier- und Umweltschützer, werde die Käfighaltung in ihrer jetzigen Form beenden.

Das will Bundeslandwirtschaftsminister Karl-Heinz Funke (SPD) verhindern. Ihn haben die Hühner in eine besonders peinliche Situation gebracht. Denn noch als niedersächsischer Landwirtschaftsminister hat er die Klage unterstützt, die er nun in seiner neuen Funktion ablehnt. Funke betont auch heute noch, die Haltung von Hennen in den Legebatterien, sei „ethisch nicht zu vertreten“ – doch gegen den Tierschutz verstoße sie nicht. Auch lasse der Markt keine andere Wahl als die Batterie zu. Und vor allem von Europa fühlt sich der Landwirtschaftsminister in die Ecke gedrängt. Denn es sei zwar juristisch möglich, daß etwa Deutschland die Käfighaltung auf eigene Faust verbiete – doch das bringe der deutschen Landwirtschaft enorme Nachteile im Wettbewerb mit den anderen Eierproduzenten in der EU. „Und wir würden uns den Hebel nehmen, mit dem wir auf EU-Ebene für eine Verbesserung der Lebensbedingungen der Hühner kämpfen“, sagt Funkes Sprecherin Ursula Horzetky. Bislang verboten sind die Legebatterien in Schweden und in der Schweiz.

Auf EU-Ebene will Funke dem Federvieh jedoch helfen. Die EU-Kommission hat vorgeschlagen, den Hühnern Nester und Scharrmöglichkeiten zu gewähren oder ihren Zellenplatz auf 800 Quadratzentimeter auszuweiten. Ein österreichisch-deutscher Vorschlag sieht nun vor, in mehreren Schritten den Lebensraum für Hühner ab dem Jahr 2015 auf 27 mal 27 Zentimeter zu erweitern. „Ein generelles Verbot von Käfigen ist aber nicht vorgesehen“, heißt es aus dem Landwirtschaftsministerium.

Das ist für Andreas Krug vom BUND eine Enttäuschung. „Die artgerechte Tierhaltung steht im Koalitionsvertrag“, moniert er. Deutschland hätte die Zeit der EU-Präsidentschaft nutzen sollen, um mit einem Verbot der Käfighaltung als Beispiel voranzugehen. Daß die Erzeuger dann ins EU-Ausland abwandern und ihre billigen Eier nach Deutschland bringen, hält er für unrealistisch: „80 Prozent der Verbraucher wollen für ein Ei aus artgerechter Haltung mehr Geld ausgeben. Das wäre eine gute Marktlücke für die Hersteller.“ Ein Urteil gegen die Hennenordnung wäre für ihn auch ein Signal, die Zustände in der Rinder-. und Schweinezucht zu überprüfen.

Umwelt- und Tierschutzverbände mahnen schon länger die Verbraucher, beim Eierkauf auf die Produkte von freilaufenden Hennen aus Bodenhaltung zu achten. Eier von Bio-Hennen kosteten etwa 40 Pfennig pro Stück. Eier für 13 Pfennig das Stück seien „ein Skandal“, heißt es vom BUND.

Die Firmen, die für den Massenmarkt produzieren, lassen sich allerdings von der Kritik nicht beeindrucken: Nach Recherchen der Umweltschützer planen die deutschen „Hühner-Barone“, die von vier untereinander verflochtenenen Konzernen dominiert werden, 56 neue Großanlagen. In der größten davon sollen in Rheinland-Pfalz 1,2 Millionen Hennen ihre Eier legen.