Kriegskanzler wird SPD-Vorsitzender

■ Nur 75,98 Prozent der Delegierten des SPD-Sonderparteitags wählen Gerhard Schröder zum neuen Partei- vorsitzenden. Seine Kosovo-Politik findet jedoch breite Zustimmung: Bedingungslose Feuerpause abgelehnt

Bonn (taz) – Die deutsche Sozialdemokratie hat einen neuen Vorsitzenden: Gerhard Schröder. Er erhielt auf einem Sonderparteitag in Bonn 370 von 493 abgegebenen Stimmen, 102 Delegierte stimmten mit Nein. Damit liegt die Zustimmung mit 75,98 Prozent erstaunlich niedrig. Zum neuen Bundesgeschäftsführer wurde Ottmar Schreiner gewählt, er erhielt gut 80 Prozent der Stimmen.

Schröder löst Oskar Lafontaine ab, der überraschend vor fünf Wochen zurückgetreten war. Schröder ist nach Willy Brandt der zweite Parteivorsitzende der SPD, der zugleich Regierungschef ist. Die Wahl Schröders stand ganz im Zeichen der aktuellen Auseinandersetzung im Kosovo. Auch die Rede des Bundeskanzlers setzte sich über weite Strecken mehr mit dem Krieg auf dem Balkan als mit seinen Vorstellungen der künftigen Tätigkeit als Parteivorsitzender auseinander. Mehr als drei Stunden debattierte der Parteitag einen schließlich mit eindeutiger Mehrheit angenommenem Antrag des Parteivorstands, in dem die Kosovo-Politik der Bundesregierung unterstützt wird. Abgelehnt wurde dagegen ein Antrag der Parteilinken, in dem diese die Nato auffordert, „die Kampfhandlungen unverzüglich mit einer befristeten Feuerpause zu unterbrechen, um einen Waffenstillstand auszuhandeln“.

Schröder zeigte in seiner Rede Verständnis für diejenigen, die „aus grundsätzlichen pazifistischen Erwägungen gegen die Nato-Militäraktionen“ seien. Allerdings machte er klar, daß „wir in der Verantwortung gegenüber den Menschen stehen, die im Kosovo Opfer grausamster Menschenrechtsverletzungen sind“.

In dem vom Parteitag angenommenen Antrag werden drei „substantielle Bedingungen“ für ein Ende der Einsätze genannt: „Die tatsächliche Einstellung der Kampfhandlung und des Mordens, der Abzug der serbischen Militärs und der Sonderpolizei sowie die Stationierung internationaler Sicherheitskräfte, damit die Vertriebenen zurückkehren können. Dieser Katalog deckt sich mit den Forderungen, die gestern die Nato-Außenminister beschlossen. Ohne Erfüllung dieser Voraussetzungen, so Schröder, würde das Bündnis seinem Ziel der Rückführung der Flüchtlinge keinen Meter näher kommen.

An diesem Punkt gab es den größten Dissens mit der Parteilinken. Detlev von Larcher stellte die Frage, ob denn nach 18 Tagen Luftangriffen diese Ziel erreicht wurde. Solange Milošević an der Spitze des Staates stehe, werde man ihn zu einer Friedensregelung brauchen. Was schade es, jetzt eine Feuerpause zu machen?

Als zweiter Einwand gegen die Kosovo- Politik der Regierung wurde das Fehlen der völkerrechtlichen Legitimation genannt. Parteivize Heidi Wieczorek-Zeul forderte daraufhin, das Völkerrecht so weiterzuentwickeln, daß die Menschenrechte in ihm angemessen berücksichtigt werden. Dieter Rulff Bericht Seite 3