■ Was der „Fernablichter“ gestern schenkte
: Von Schreibtischtätern und NPD–Demokratieverständnis

„Schreibtischtäter“ – das Wort wurde bislang vornehmlich assoziiert mit den verbeamteten Verbrechern, die im Nationalsozialismus für das reibungslose Gelingen der Machtausübung sorgten. „Schreibtischtäter“ – das sind nach den Worten des NPD-Bürgerschaftskandidaten und Landesvorsitzenden Helmut Walter alle Menschen, die einen Aufruf gegen die NPD–Demonstration am 1. Mai unterschrieben hatten, der am 24. März im Weser-Kurier erschienen war. Nachdem die Rechten versuchen, den „Tag der Arbeit“ mit ihren Parolen zu besetzen, versuchen sie jetzt, die Konnotation von Wörtern umzudeuten.

Gestern quoll aus dem „Fernablichter“ (oi-deutsch) eine NPD-Erklärung: Eine „Hetzkampagne“ hätten die Unterzeichner mit dem öffentlichen Protest gegen den NPD-Marsch am 1. Mai begonnen, die „den potentiellen Gewalttätern der antifaschistischen Szene eine scheinbare Legitimation für ihre Verbrechen“ gäbe. Weiter heißt es: „Die Unterzeichner wie Metz, Scherf, Perschau, Ziegert u. Co. (sic!) Nehmen (sic!) also bewußt in Kauf, daß infolge ihres 'Aufrufs' Personen und Sachen (sic!) verletzt werden!“ Falls es bei der Demonstration zu Gewalt kommen sollte, verspricht Walter die Unterzeichner „namentlich und rechtlich zur Verantwortung zu ziehen.“

Besonderes Dorn im Auge von NPD-Kandidat Walter: Die „Schreibtischtäter“ hätten ein aufhetzendes Vokabular gewählt. Tatsächlich hatten die Unterzeichner formuliert: „Mit hetzterischen Parolen, die den Kampfbegriffen der Nationalsozialisten gleichen, wird versucht, die Angst der Menschen um ihren Arbeitsplatz auszunutzen, um Haß gegen unsere ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürger zu schüren ...“

Die NPD geißelte das „schä(n)dliche Demokratieverständnis“ der Anzeigen-Unterstützer und mutmaßt weiter, daß die ganzseitige Anzeige im Weser-Kurier „mit großer Wahrscheinlichkeit aus Steuermitteln“ finanziert worden sei. Doch Irrtum. Für lau, nichts, umme, ohne Bezahlung haben alle Beteiligten den Aufruf unterstützt, auch die Zeitung nahm keinen Heller.

Daß DGB-Chefin Helga Ziegert zudem gesagt hätte, die NPD versuche einen „Keil zwischen Deutsche (sic! sic!) und ausländische Arbeitnehmer zu treiben“, erzürnt den stellvertretenden Betriebsrat Walter ganz besonders. Immerhin sei er von den überwiegend ausländischen Arbeitnehmern seines Betriebes „trotz oder gerade wegen meines offenen politischen Bekenntnisses zur NPD mit dem bei weitem besten Wahlergebnis in den Betriebsrat gewählt worden“. Dann sind wir ja mal höchst gespannt, wo diese Kollegen am 1. Mai demonstrieren.

cd