„2006 werden wir Weltmeister“

Frank Stronach, erfolgreicher Geschäftsmann aus Übersee, läßt sich in seinem Vorhaben, der Heilsbringer des maroden österreichischen Fußballs zu werden, nicht beirren  ■ Von Markus Völker

Berlin (taz) – Er wußte, daß man ihn in Österreich noch brauchen würde. Also machte sich der Werkzeugmacher aus dem kleinen steirischen Städtchen Weiz auf ins gelobte Land, auf nach Amerika. Er hatte gehört, dort könne man es ohne weiteres vom Tellerwäscher zum Millionär bringen. Der zentrale Mythos des amerikanischen Liberalismus aber war ihm zu billig. Frank Stronach wurde Milliardär.

Als der Österreicher vor 45 Jahren mit dem Ansinnen, „nie mehr hungern zu wollen und demütig sein zu müssen“, über den großen Teich setzte, stand noch der Name Franz Strohsack in seinen Papieren. Der plumpe Bauernname wurde geändert, einer in Stromlinienform mußte her. „Franky“ klang nach Kumpel, das fetzige „Strounäck“ nach Zukunft.

Europa und die Vergangenheit waren zunächst weit entfernt. Aber irgendwann sollten die in Österreich sehen, was er hatte, wer er war: Aus dem Sohn einer Gemüseverkäuferin und eines Drehers war der Chef von Magna International Inc. geworden, des weltgrößten Zulieferers der Automobilindustrie. Er besaß mehrere Pferderennställe und ein gewaltiges Vermögen. Der Hauptschüler brachte es zum dreifachen Ehrendoktor. Im Stil Arnold Schwarzeneggers flog der reiche Onkel aus Amerika also mit Privatjet Falcon 900 die Heimat an, fuhr im Straßenkreuzer vor und grüßte freundlich mit reichlich Greenbacks im Portemonnaie. Auf so einen Mann hatte das Alpenland gewartet. Der verlorene Sohn kam zurück.

„Opa, was hast du gemacht?“ Die Frage seines Enkels will Stronach einmal so beantworten können: „Ich habe die Welt ein bißchen besser gemacht.“ Keine schlechte Idee, sich da dem maroden österreichischen Fußball zu widmen. Zuletzt zeigte sich das rot-weiß-rote Nationalteam mit einem 0:9 im EM-Qualifikationsspiel gegen Spanien im Zustand fußballerischer Verwahrlosung. Stronach hat nun mit Österreich Großes vor. „2006, spätestens 2010 werden wir Weltmeister“, hat der 66jährige angekündigt. Ein paar Millionen investieren und Champions backen. Leidet da einer unter Realitätsverlust und Machbarkeitswahn? Johann Skocek, Sportchef des Wiener Standard, sieht den Fußball in seinem Land in einem Dilemma: „Die Frage ist, was will man, gar keinen anständigen Fußball oder ein Kasperltheater.“ Auch das Nachrichtenmagazin Format sieht sich vor einer Wahl zwischen Kropf und Kröte: „Weder die Wirtschaft noch der Tourismus des Landes sind so schwach, daß sie über ein paar angebotene Investitionsmillionen gleich den Verstand und die Selbstachtung verlieren müßten. Mit dem Fußball, das geben wir gerne zu, verhält es sich womöglich ein wenig anders.“

Die Mehrheit im Lande empfängt Stronach wie einen Heilsbringer, der Österreich den verlorenen Stolz zurückbringen soll. Die Bundesligavereine haben sich Stronachs Finanzofferten bedingungslos hingegeben. Nur Meister Sturm Graz, Rapid Wien und der Linzer ASK mauern. „Die kritische Schwelle ist in Österreich sicher niedriger als in Deutschland“, sagt Skocek, „aber was tun, wenn die Kapitaldecke dünn ist und alle Vereine über ihre Verhältnisse leben, um international nur irgendwie mithalten zu können.“

Stronach, seit 1996 Mitglied der „Canadian Business Hall Of Fame“, tut nichts ohne Gegenleistung. Der Liga soll eine von ihm geführte Finanzholding vorstehen. Die 140 Millionen Mark, die er den zehn Vereinen der ersten Liga im Konzept „Bundesliga 2000“ verspricht, sind geknüpft an den Verkauf der Fernsehübertragungsrechte. Die liegen zwar bis 2004 beim Österreichischen Rundfunk (ORF). Doch am geplanten Sport- und Wettkanal könnte sich der Monopolist ORF beteiligen, ebenso die staatliche Lotto-Gesellschaft. Einflußreiche Mittelsmänner der Geschäfte sind Ex-Bundeskanzler Franz Vranitzky (SPÖ) und Bank-Austria-Chef Gerhard Randa. Beide sitzen im Aufsichtsrat von Magna-Europa. Mit bereits geflossenen Millionen hat Stronach sich einen Anteil von 40 bis 60 Prozent am Erlös von Spielertransfers gesichert. Ein Kicker bei der Wiener Austria – dort ist Stronach Mitglied – „gehört“ ihm ganz. Fußballakademien schließlich sollen den Nachwuchs auf das große WM-Ziel vorbereiten.

Seine Pläne überzeugten derart, daß er im Februar zum Bundesliga-Präsidenten gekürt wurde. Offen bot Stronach nur Hannes Kartnig die Stirn. Der Präsident von Sturm Graz ist aus dem gleichen Holz geschnitzt wie Frankyboy, der Rivale aus Übersee. Er, Kartnig, brauche nur einmal die Nobeleinkaufsmeile Kärntner Straße in Wien auf- und abgehen, da würde er mehr Geld zusammenbekommen als Stronach mit seiner „besseren Vermarktung“. Außerdem könne niemand „gleichzeitig Ligapräsident und Besitzer eines TV- Wettskandals sein“. Offenbar doch: Stronach wurde mit 85 Prozent der Stimmen gewählt und angesichts der Quertreiber richtig giftig. Österreich sei „überverwaltet“, mit zu vielen „Funktionären“. Und: „Ich werde sicher nicht betteln, nehmt mein Geld.“ An den Sturm-Boß adressierte er: „Der kommt mir vor, als ob mir jemand vor die Tür scheißt, dann anklopft und um Klopapier bittet.“ Der lauteste Kritiker innerhalb der Fußballbranche, Kartnig also, erläuterte hernach sein Kalkül. „Ich bin der einzige, der gegen Stronach ist, und am Ende habe ich das meiste Geld von ihm.“

Dollarzeichen vor den Augen, gibt der österreichische Fußball alte Strukturen preis. Der Fußballbund (ÖFB) schaut dem Treiben mit offenem Mund zu. (ÖFB-Chef Beppo Mauhart: „Das ging ähnlich zu wie bei einem Staatsstreich.“) Die Uefa blickt zumindest skeptisch. Noch sind die neuen Bundesliga-Statuten nicht Uefa-konform, ein Ausschluß österreichischer Mannschaften von europäischen Wettbewerben wird erwogen. Wahrscheinlich ist er nicht. Viele würde die Sperre auch nicht schrecken, sind sie doch wie Paul Breitner der Meinung: „Die spielen in Österreich auch Fußball, aber halt nur nebenbei.“ Wenn das mal nicht den Tiger weckt.