Hühner stehen vor Gericht

■  Bund beteuert: Man sei eigentlich gegen Käfighaltung, wolle aber keinen Alleingang

Karlsruhe (taz) – „Anstelle einer Tierschutzverordnung ist eine Käfigschutzverordnung beschlossen worden“, kritisierte die grüne Agrarministerin Nordrhein-Westfalens, Bärbel Höhn, vor dem Bundesverfassungsgericht die jetzige Regelung zur Legehennenhaltung.

Wie artgerecht die Haltung der Mehrzahl der deutschen Legehennen ist, wurde in der Verhandlung zur Verfassungsfrage. Denn wenn auch der Tierschutz noch nicht im Grundgesetz verankert ist, lief doch alles auf die Frage hinaus: „Wieviel Platz braucht ein Huhn?“ Das klagende Land Nordrhein-Westfalen argumentiert formal: Sei die Verordnung nicht vom Tierschutzgesetz gedeckt, dann fehle ihr die Rechtsgrundlage, und das dürfe es laut Grundgesetz nicht geben. Das Tierschutzgesetz aber schreibe eine verhaltensgerechte Unterbringung vor und verbiete vermeidbare Leiden oder Schmerzen.

Auch die Vertreter der Bundesregierung schienen nicht recht glücklich bei dem Versuch, die Verordnung zu verteidigen. „Bisher hat noch keiner Bundesregierung diese Verordnung gefallen“, sagte ihr Vertreter, der Bonner Staatsrechtslehrer Bernhard Loewer. Warum Rot-Grün – wie auch die alte Regierung – die Regelung unterstützt, die es erlaubt, daß in den Batterien einem Huhn rechnerisch der Platz einer DIN A 4-Seite zusteht, begründeten die verschiedenen Vertreter unterschiedlich. Bundeslandwirtschaftsminister Karl-Heinz Funke hatte die Legebatterien noch in Interviews mit dem Hinweis auf europäisches Recht verteidigt. Loewer schränkte die europarechtlichen Grenzen ein: Ein Verstoß gegen die geltende Richtlinie zur Batteriehaltung sei nur bei einem völligen Verbot zu befürchten. Ein deutscher Alleingang würde dazu führen, daß die Hühnerhalter früher oder später ins Ausland abwanderten. Nötig sei deshalb eine EU-weite Lösung, sagte Agrarstaatssekretär Josef Scherer. Er äußerte sich „zuversichtlich“, daß schon im kommenden Juni eine verbesserte Richtlinie verabschiedet werde, was das Land bezweifelte.

Höhn trat ohnehin dafür ein, daß Deutschland auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten den Hühnerschutz im Alleingang weitertreiben sollte. Wer früher die von der Bevölkerung gewünschten Maßstäbe setze, zwinge die Nachbarländer mitzuziehen – und sei dann besser gerüstet. Ein völliges Verbot der Käfige will übrigens auch Nordrhein-Westfalen gar nicht erreichen, man wolle lediglich bessere Standards.

Quasi als Kompromiß könnte das Verfassungsgericht noch zu einer dritten Lösung kommen. In Frage steht nämlich auch, ob die Verordnung mit einem völkerrechtlichen Übereinkommen vereinbar ist, das auch die EU binden könnte. Gudula Geuther