Herzog fordert Bildungsreform

■ Einen seiner letzten großen Auftritte als Bundespräsident widmet Roman Herzog wieder dem Thema Bildung. Heilige Kühe müßten geschlachtet, das starre Beamtenrecht verändert werden

Bonn (dpa) – Bundespräsident Roman Herzog hat zu umfassenden Bildungsreformen in Deutschland aufgerufen. Dazu sollen Schulen und Hochschulen mehr Selbständigkeit erhalten, Lehrer und Professoren ihr Gehalt nach Leistung bekommen, sagte Herzog bei einem seiner letzten großen Auftritte als Bundespräsident auf dem „Deutschen Bildungskongreß“ der Bertelsmann-Stiftung gestern in Bonn. Jedes deutsche Klassenzimmer und jede Bibliothek müsse innerhalb der nächsten fünf Jahre mit vernetzten Computern ausgestattet werden.

Die moderne Informationstechnik wird nach Herzogs Worten „eine Revolution in den Klassenzimmern auslösen“. Dafür fehle bisher die Pädagogik. Angesichts des weltweit rasant wachsenden Wissens müsse der Lernstoff auf das Wesentliche reduziert werden. „Wir brauchen in der Wissensgesellschaft insgesamt nicht mehr zu lernen – aber das Richtige.“

Schule habe aber auch den „Auftrag zur Erziehung“. Die jungen Menschen benötigten für das 21. Jahrhundert Konflikt- und Kompromißfähigkeit, interkulturelle Kompetenz, Leistungsbereitschaft und Rücksichtnahme, Offenheit sowie Traditions- und Wertebewußtsein. Erziehungsziel sei aber nicht der stromlinienförmige Karrierist, dessen „Bildungshorizont die Grenzen des Stellenmarktes nicht überschreitet“.

Herzog hatte mit seiner ersten bildungspolitischen Rede im November 1997 in Berlin eine breite Diskussion ausgelöst und auch den „Deutschen Bildungskongreß“ initiiert. Die Bertelsmann-Stiftung hatte dazu verschiedene Fachforen organisiert. Deren Ergebnisse übergab Stiftungsvorsitzender Mark Wössner dem Bundespräsidenten nun in Form eines Memorandums. Darin wird unter anderem eine stärkere Verzahnung von Schule und Lebenspraxis verlangt.

An den Reformen im Bildungswesen wird sich nach Herzogs Worten die Zukunftsfähigkeit der deutschen Gesellschaft messen lassen. Dazu verlangte der Bundespräsident, auch „heilige Kühe zu schlachten“ und im Bildungsbereich eine Finanzierung nach Leistung einzuführen. Das „starre Beamtenrecht“ sowie das Dienst- und Tarifrecht müsse geändert werden, so Herzog.

Studenten wandten sich zum Auftakt des Kongresses gegen die aus ihrer Sicht einseitig wirtschaftsorientierte Ausrichtung der Veranstaltung. Vor der Bonner Beethovenhalle hatten sie einen gut zwei Meter großen Hampelmann mit dem Gesicht des Bundespräsidenten aufgebaut, an dessen Fäden der milliardenschwere Bertelsmann-Konzern und seine Stiftung zogen.

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