Ein Eifeldorf zum Bombergucken

Seit Ostern zieht Spangdahlem mit seinen 13 Tarnkappenbombern massenweise Besucher an: Friedensdemonstranten ebenso wie Kriegstouristen  ■   Aus Spangdahlem Gisa Funck

Eine enge Straße windet sich hinter Bitburg hinaus nach Spangdahlem. Vorbei an gepflügten Äkkern und blühenden Ginsterbüschen. Vorbei an Männern, die einem auf Treckern zuwinken. Vorbei am „Erlebnispark“ Gondorf, der „Spaß für die ganze Familie“ verspricht. Doch die Idylle trügt.

Auffällig viel Polizei patrouilliert neuerdings durch die Straßen des kleinen Eifeldorfes. Ihre Bewachungsobjekte liegen auf einer Anhöhe am Ortseingang hinter kilometerlangem Stacheldraht: khakibraune Kasernen, Lichtmasten, ein riesiger Radar, ein Golfplatz, und eine mit 2.700 Metern außergewöhnlich lange Fluglandebahn.

Mit 4.800 Soldaten ist die Air Base Spangdahlem der größte Luftwaffenstützpunkt amerikanischer Streitkräfte in Europa. Über die genaue Anzahl der Kampfflugzeuge schweigt sich das 52. Geschwader der U.S. Army aus. Experten schätzen, daß ungefähr 80 Bomber vom Typ F 16 und A 10, im Fliegerjargon: „Warzenschwein“, hier stationiert sind. Zum Ausflugsziel der makabren Art avancierte Spangdahlem jedoch wegen eines anderen Fluggeschosses, dem „Tarnkappenbomber“, Fachbezeichnung: F 117.

13 dieser schwarzen High-Tech-Zerstörer – Stückpreis 45 Millionen Dollar – wurden Ostern angeliefert, bestimmt zum Einsatz im Kosovo. Für Hunderte von Schaulustigen und Journalisten aus ganz Deutschland Grund genug, zum Rollfeld zu pilgern und „Bomber gucken zu gehen“, wie Stefan Knoetgen es verächtlich nennt.

Der 32jährige Kfz-Meister aus Binsfeld wohnt seit seiner Geburt direkt neben dem Militärflugplatz. Wie viele Handwerker der umliegenden Dörfer arbeitet auch er dort. „Wir hier leben davon, daß die Amerikaner da sind“, sagt er. Daß er seit Ostermontag jede Nacht davon aufwacht, daß drei bis vier Tarnkappenbomber starten, nimmt Knoetgen gelassen. „Den Krach ist man als Anwohner gewöhnt. Die Kriegstouristen waren schlimmer.“

Mit „Oma und Opa, Kind und Kaffeekanne“ seien sie gekommen und hätten ihre Autos rücksichtslos überall geparkt. „Fernsehleute haben mit der Kamera an der Tür geklingelt, es war furchtbar“, sagt auch eine Nachbarin. Im Ort selbst sei die Atmosphäre durch die ständige Uniformpräsenz und eine wachsende Angst vor serbischen Angriffen angespannt. „So schnell, wie wir mit den Bombern bei denen unten in Jugoslawien sind, können die ja umgekehrt auch bei uns sein“, räsoniert die Nachbarin düster.

Gegenüber fängt eine Sonderwache der Trierer Polizei jeden Besucher ab. Die Beamten geben sich unterkühlt und wortkarg. Möchte man zur Startrampe, muß man sich bei ihnen ausweisen. Dort ist das Gelände inzwischen mit gelben und rotweißen Bändern abgesperrt. Schaulustige sieht man kaum, ihre Spuren aber zuhauf.

Kaputte Plastikflaschen und aufgeweichte Papiere gammeln im platt getrampelten Gras. Den Fotoapparat im Anschlag, warten nur noch wenige hartgesottene Sammler fröstelnd an der Absperrung, um den Start eines Bombers zu knipsen. Einer von ihnen ist der Bankangestellte René Joakim aus Luxemburg. Zu Hause hortet er an die 4.000 Fotos von Flugzeugen. „Die schönsten sind nun mal die Kriegsflugzeuge“, sagt er. Als ein Voyeur des Grauens empfindet sich Joakim nicht. „Ich komme wegen der Flugzeuge, nicht wegen der Zerstörung.“

Daß sich ein paar hundert Meter Luftlinie von ihm entfernt, vor dem Kasernentor, seit dem Mittag rund 80 Friedensdemonstranten zu einer Sitzblockade versammelt haben, läßt den Flugzeugfreund nur schmunzeln. „Ich glaube nicht, daß die Amerikaner sich durch solche Aktionen beeinflussen lassen.“ Dennoch gehört dieser Tag in Spangdahlem eindeutig den Friedenstauben und nicht den Kriegsfans.

Auf selbstbemalten Transparenten und in Mikrofonaufrufen fordern die Pazifisten, darunter auch eine Gruppe von Vietnamveteranen, daß die Nato den Krieg im Kosovo sofort stoppen und mit Miloevic neu verhandeln soll. „Die Nato hat Miloevic doch gar keine andere Wahl als Krieg gelassen!“ glaubt Mitinitiator Martin Schwinge aus Bonn wie die Mehrheit seiner Mitstreiter. Die Sitzblockade erinnert nicht zufällig an die friedensbewegten Zeiten vor 15 Jahren. Die meisten von denen, die heute vor der amerikanischen Air Base kauern, waren auch schon damals dabei. 'Etwa Elke Steven vom Komitee für Grundrechte und Demokratie in Köln. „Die Friedensbewegung hat eigentlich nie aufgehört zu existieren“, glaubt sie. Nach zweieinhalb Stunden stellen sich alle Demonstranten zum Abschied im Kreis auf, um Hand in Hand „We shall overcome“ zu singen. Die Spangdahlemer Polizei ist sichtlich erleichtert. „Im Gegensatz zu letzter Woche verlief diesmal alles so, wie es sein soll: friedlich und ohne Zusammenstöße“, freut sich Einsatzleiter Erich Wolf.

René Joakim und die kleine Schar von Hobbyfotografen am Rollfeld sind dagegen enttäuscht. Knapp vier Stunden haben die Schnappschußjäger bis zur Dämmerung ausgeharrt – fast umsonst, kein Tarnkappenbomber kam ihnen vor die Linse. „Nur ein blödes Warzenschwein“, schnaubt Joakim und packt mißmutig seine Sachen zusammen, „die F117 fliegt wohl leider nur nachts.“