Gepflegte Außenseitermentalität

■ Wegen ihrer übergewichtigen Sängerin werden Bis von der image-orientierten Brit-Presse trotz ihres Erfolgs stigmatisiert

„Das, was Popmusik bedeutet, muß erweitert werden“, steht in den Linernotes zu Social Dancing, dem zweiten Album von Bis. Der Kampf um bessere Verhältnisse im Staate Pop ist ein Leitmotiv, das sich durch das gesamte Wirken der schottischen Band zieht. Schon mit ihrem zur Legende gewordenen Auftritt im britischen „Top Of The Pops“ als erste Band ohne Plattenvertrag im Jahre 1996 wurden große Hoffnungen verbunden: Während der Fanzine-Underground, dem Bis entstammen, hoffte, daß eine Band mit ausdrücklichen Sympathien für die Riot-Grrl-Bewegungen den Mainstream subvertieren könne, stürzte sich die britische Musikpresse auf eine Gruppe Teenager mit ausformuliertem Image und catchy Slogans.

Doch in der britischen Öffentlichkeit hat sich das Bild von Bis gewandelt. Besonders Keyboarderin Manda Rin hatte unter den sexistischen Tendenzen in der image-orientierten Brit-Presse zu leiden: Regelmäßig wurden abfällige Bemerkungen über ihr Gewicht gemacht. „Anfangs hat es mich so durcheinandergebracht, wie es jedem 18jährigen Mädchen gegangen wäre. Die beiden Jungs von Bis haben auch keine perfekten Körper, aber Frauen in Bands sind immer die einfache Zielscheibe. Das ist furchtbar, weil sich dadurch andere Mädchen nicht trauen, auf der Bühne zu stehen, weil sie vielleicht übergewichtig sind. Mich selbst berührt das heute nicht mehr so: Sie haben mich fett und häßlich genannt; da kann es nicht mehr viel schlimmer kommen!“

Mit dem Selbstbewußtsein, das auch durch einen US-Plattenvertrag beim Beastie-Boys-Label Grand Royal entstanden ist, schreiben Bis heute Songs, die an die Battle-Tracks im HipHop erinnern – die eigenen Qualitäten werden gelobt und Gegner angegriffen. „Wir sind noch immer ziemlich trotzig“, sagt Gitarrist Sci-Fi-Steven. „Wir haben einfach diese Außenseitermentalität. Mir fällt keine andere Band ein, die genauso stigmatisiert wird wie wir. Alle scheinen uns zu hassen, also hassen wir zurück!“ Doch der Haß auf die britischen Verhältnisse macht Bis anderswo um so attraktiver: Für eine US-Cartoonserie durften sie die Titelmusik schreiben und in einem japanischen Magazin hat Manda Rin eine monatliche Comic-Kolumne.

Musikalisch haben Bis ihren hüpfigen Disco-Punk auf Social Dancing vorsichtig diversifiziert: Mit der Produktion von Andy Gill (Ex-Gang Of Four) sind die 80er-Anklänge programmatisch knalliger geworden, um mit Slogans wie „Give me action and drama / give me eightie's Madonna“ mitzuhalten. Haben Bis ein Manifest, um den Pop zu retten? „Das zu behaupten, wäre etwas kühn“, gibt Sci-Fi-Steven zu, „aber wir wollen schon versuchen, Pop wieder zu einer intelligenten Kunstform zu machen“.

Felix Bayer So, 18. April, 21 Uhr, Logo