Weisener will sich verpflichten

St. Paulis Präsident Weisener fürchtet um Lizenz. Aufsichtsrat unterschreibt Vertrag zur Liquiditätssicherung nicht. Heute MV  ■ Von Christoph Ruf

Schon morgen könnte Schluß sein mit dem Zweitliga-Fußball am Millerntor, fürchtet St. Paulis Präsident Heinz Weisener. „Wenn sich an der gegenwärtigen Lage nichts ändert, werden wir am Freitag um 10 Uhr erfahren, daß wir keine Lizenz für die neue Saison bekommen“, erklärte der Architekt gestern nachmittag der überraschten Presse. Er hatte in sein Büro an der Hansastraße gebeten, um den JournalistInnen mitzuteilen, wer hierfür die Schuld trage: „Seit acht Wochen verweigert der Aufsichtsrat die Zustimmung zu den Papieren, die uns die Lizenz garantieren würden“. Diese sehen Regelungen vor, die es dem Verein erlauben sollen, mittelfristig ohne das Vermögen Weiseners zu existieren und – so hofft der Präsident – den Neubau des Stadions zu ermöglichen.

Das in Zusammenarbeit mit der renommierten Consulting-Firma KPMG erarbeitete Vertragswerk liegt dem Deutschen Fußball Bund (DFB) bereits vor. Darin verpflichtet sich Weisener, für die Verbindlichkeiten des Vereins vorerst aufzukommen – für die aktuelle und die kommende Spielzeit eine Summe in Höhe von sieben Millionen Mark. Das Geld soll der FC ab Sommer 2001 in Vierteljahresschritten (je 250.00 Mark) zurückzahlen, vorausgesetzt, er ist bis dahin liquide. Allerdings fehlen unter dem Vertrag die Unterschriften des Aufsichtsrates. Ohne sie ist das Papier wertlos und Weisener nicht bereit, das Darlehen zu gewähren.

Im Aufsichtsrat ist das Vertragswerk umstritten. Es beinhaltet neben der erneuten Sicherung der Liquidität durch Heinz Weisener eine Umstrukturierung des Vereins. Die Werbe- und Vermarktungsrechte gingen an die Marketing GmbH des FC St. Pauli über, die von Weiseners Sohn Götz geleitete wird. Nur wenn ein Dritter – beispielsweise ein potenter Investor – die Vermarktung- und Werberechte erstehen wollte, müßte der Kauf vom Aufsichtsrat abgesegnet werden.

Genau hier sieht Holger Scharf, Mitglied des Kontrollgremiums, Klärungsbedarf. „Zu welchem Preis ein Dritter die Rechte erstehen kann, konnte uns noch keiner beantworten.“ Auch Aufsichtsrätler Thomas Gottfried zeigte sich gestern „überrascht und verärgert“ über den Entwurf Weiseners. Der neue Vertrag stelle den Verein unter dem Strich „schlechter als bisher“.

Scharf ist zudem sauer über die Vorgehensweise des Präsidenten. „Wir haben erst am Montag abend um halb zehn den neuen Vertragsentwurf bekommen. Noch am Dienstag abend kannten ihn die beiden Vizepräsidenten Ulrich Schult und Wolfgang Helbing nicht.“ Es gebe „überhaupt keinen Grund, etwas übers Knie zu brechen,“ so Scharf. „Wenn Weisener sagt, am Freitag falle die endgültige Entscheidung, lügt er. Der DFB wird die fehlenden Papiere anmahnen und Anfang Juni eine Entscheidung treffen.“ Genug Zeit also, sich in den nächsten Tagen juristisch beraten zu lassen, so die Meinung des Aufsichtsrates.

Zum großen Showdown zwischen Kontrollgremium und Präsident wird es heute abend kommen. Dann findet in der Handwerkskammer die außerordentliche Mitgliederversammlung des Vereins statt. Beobachter vermuten, daß Weisener die Abwahl des ungeliebten Aufsichtsrates fordern könnte. Auch seinen eigenen Rücktritt wollte er gestern nicht ausschliessen.