AWO Bremen droht finanzielles Fiasko

■ Wohlfahrtsverband könnte wegen angeblich illegaler Geschäfte des Ex-Geschäftsführers die Steuerbefreiung aberkannt werden / Das wäre für die AWO mit 1.000 MitarbeiterInnen das Aus

Die Verantwortlichen der Arbeiterwohlfahrt (AWO) Bremen wollen gegen ihren ehemaligen, fristlos entlassenen Geschäftsführer Hans Taake kein Gerichtsverfahren anstrengen. Das bestätigte gestern der zweite Geschäftsführer, Burghardt Schiller, gegenüber der taz. Statt dessen will man sich lieber außergerichtlich mit Taake einigen. Dem 56jährigen wird vorgeworfen, Geld in die eigene Tasche gewirtschaftet zu haben. Und das kann zur Folge haben, daß der AWO die Gemeinnützigkeit aberkannt wird. Ein Fiasko, daß zum Aus für die Wohlfahrtsorganisation mit ihren etwa 1.000 MitarbeiterInnen führen könnte. So sieht es die AWO selbst.

Geschäftsführer Schiller versucht darum jetzt zu retten, was zu retten ist: „Unser Hauptanliegen ist es, mit dem Finanzamt auf eine Basis zu kommen. Wir müssen darstellen können, daß der angerichtete Schaden geheilt ist.“ Also müsse Geld von Taake zurück an die AWO fließen. „Wenn wir ihn anzeigen, haben wir zwar den Racheengel in uns befriedigt, aber auch das Verfahren völlig aus unserer Hand gegeben. Er wird wahrscheinlich anfangen, auch andere aus der AWO zu beschuldigen.“ Das aber muß nach seiner Auffassung unter allen Umständen vermieden werden. Bislang sei klar, daß der Vorstand integer sei. Und dabei müsse es bleiben, wenn man gut aus dieser unangenehmen Sache herauskommen wolle.

Denn noch immer steht besagte Androhung des Finanzamtes im Raum, dem Wohlfahrtsverband für einige Jahre die Gemeinnützigkeit zu entziehen, in erster Linie also die Steuerbefreiung aufzuheben. Der Grund: Treffen die Vorwürfe gegen Taake zu, hat er mit seinem Verhalten nicht nur den Verband geschädigt, sondern gemeinnützig gebundene Gelder in die falschen Kanäle geleitet. Es seien bei einzelnen Geschäften „riesige Gewinne“ eingefahren worden, meinen die Steuerfahnder. Leider nicht für die AWO. Unter anderem soll Taake mit Baufirmen Beratungsverträge abgeschlossen haben. Die Mehrkosten für die Unternehmen, so die Vermutung der Prüfer, haben diese dem Wohlfahrtsverband mit auf die Rechnungen gesetzt.

Seit Ende Januar wühlen sich nun AWO-Mitarbeiter durch ihre Akten, um die Vorwürfe nachzuvollziehen. Das Problem: Unter Berufung auf das Steuergeheimnis von Taake ist die Finanzbehörde nicht bereit, Unterlagen zur Verfügung zu stellen oder konkrete Zahlen zu nennen, die der Wahrheitsfindung dienlich wären. So bleibt die AWO auf ihre eigenen detektivischen Fähigkeiten angewiesen. Wie hoch der Schaden insgesamt liegt, weiß Falldorf noch nicht – vermutlich weit in den Hunderttausenden.

Wie ein roter Faden durchzieht die Beziehung Taakes zu einem niedersächsischen Kaufmann die bislang aufgeschlüsselte Verlustliste: Im März 1993 hat sich die Firma Planungsgruppe DRTLbau GmbH im Handelsregister angemeldet. Zu den Gesellschaftern gehören mit einer Einlage von jeweils 15.000 Mark der Kaufmann und Taake. Die Firma will hauptsächlich im Osten Sozialverbände beraten. Ohne daß sie über die Einzelheiten in Kenntnis gesetzt wird, erlaubt die AWO ihrem Geschäftsführer die Nebentätigkeit. Weil es um Sozialeinrichtungen gehen soll, „haben wir das unter dem Aspekt gesehen, AWO West hilft AWO Ost“, sagt Falldorf. Jetzt schwant ihm, daß sein Verband dabei die Aktivitäten einer privaten Firma finanziert haben könnte. Darum will er die Gehälter von Taake zurückfordern.

Bereits im Dezember 1992 hat die AWO eine Rehabilitationsklinik im niedersächsischen Bruchhausen-Vilsen gekauft. Zu überhöhten Preisen für das Mobiliar, sagt das Finanzamt heute. Zu den Verkäufern gehört der spätere Taake-Freund. Den Sparkassenkredit zur Finanzierung vermittelt er ebenfalls. Eine ungerechtfertigte Summe, so die Steuerprüfer. Bis heute weiß die AWO nicht, wie es zur Überweisung gekommen ist. 1993 hilft der Geschäftsmann der AWO mit einem Kredit für ein neues Bettenhaus. Dafür darf seine und Taakes Firma das Haus errichten. Weiter geht es mit Sanierungs- und anderen Aufträgen in den Jahren 1994 bis 1996 – die Liste ist lang, die Gewinne hoch.

Zu den Nebenverdiensten Taakes hat das Finanzamt bislang nur mitgeteilt, es seien „ordentliche Geschäftsführergehälter“ geflossen. AWO-Vorstandschef Falldorf will, daß die Steuerfahnder nicht nur in diesem Vorwurf konkreter werden. Denn immerhin hängt über der AWO das Damoklesschwert. Eine Aberkennung der Gemeinnützigkeit auch nur für zwei oder drei Jahre würde der Verband mit 1.000 Arbeitnehmern nicht verkraften: „Das wäre das Ende“, sagt Schatzmeister Andreas Weichelt.

An dieser Stelle, so hofft die AWO, liegt auch der wunde Punkt bei ihrem früheren Geschäftsführer. Nur wenn dem Finanzamt klargemacht werden kann, daß Schäden auf die Machenschaften eines einzelnen zurückzuführen sind, kann der Verband heil aus der Sache herauskommen. „Wenn er sich nicht auf eine außergerichtliche Lösung einläßt und Geld zurückzahlt, wird er zum Totengräber der AWO“, sagt Schiller. „Das kann er nicht wollen.“ So sicher scheint das allerdings nicht zu sein. Zwar laufen Gespräche zwischen den Anwälten. Taake selbst jedoch fehlte bei einem unlängst stattgefundenen Gespräch. Angeblich hält er sich in seinem Haus auf Mallorca auf.

Gunda Wöbken-Ekert / Jeti