Achtjähriger Vietnamese von Abschiebung bedroht

■ Thanh lebt bei seinen Pflegeeltern und soll nach dem Willen der Ausländerbehörde in ein Kinderheim in Vietnam. Er spricht akzentfrei deutsch und besucht in Berlin die Grundschule

Einem achtjährigen vietnamesischen Jungen aus Weißensee hat die Ausländerbehörde nach Angaben seines Pflegevaters Benjamin Palm die Abschiebung angedroht. Als die Pflegeeltern die ausländerrechtliche Duldung für sechs Monate verlängert hatten, hätte die Sachbearbeiterin, wie bereits vor einem halben Jahr, angekündigt, diese könne jederzeit widerrufen werden, wenn die Behörden für den Jungen einen Heimplatz in Vietnam finden. „Die Frau in der Behörde sagte diesmal sogar, man wäre bereits dabei, einen Heimplatz zu organisieren“, so Palm.

Der heute achtjährige Thanh war im Alter von zwei Jahren von seinen Eltern in Vietnam ausgesetzt worden, von denen er seither nichts mehr gehört hatte. Er wuchs in Hai Phong in einem Kinderheim auf. Nach dem Wunsch der heute 70jährigen Großmutter wurde Thanh vor drei Jahren zu der einzigen kinderlosen Schwester seines verschwundenen Vaters gebracht: Die abgelehnte Asylbewerberin hatte in Berlin gerade Benjamin Palm geheiratet und damit ein Aufenthaltsrecht erworben.

In seiner Familie fühlt sich der Junge, der akzentfrei deutsch spricht, ebenso wohl wie in der 2. Klasse seiner Weißenseer Grundschule. Nur an den Tagen nach den Vorspracheterminen bei der Ausländerbehörde können seine Pflegeeltern den Jungen nicht so recht beruhigen. Thanh: „Ich habe geweint, als die Frau sagte, daß ich wieder in Vietnam leben soll.“

Der 52jährige Palm hat gemeinsam mit seiner Frau die Adoption beantragt. Doch das Verfahren wird sich nach Angaben der Anwältin der Familie, Petra Schalgenhauf, noch mindestens ein Jahr hinziehen. Bei einer Adoption bekäme Thanh wegen seines Vaters sogar die deutsche Staatsangehörigkeit. Für die nächsten zwei bis vier Monate hatte die Familie die drohende Abschiebung abgewendet, indem sie sich an den Petitionsausschuß des Abgeordnetenhauses wandten. Die Innenverwaltung will wegen der anhängigen Petition keine Stellungnahme abgeben.

Abschiebungen von Kindern sind nur zulässig, wenn sich die deutschen Behörden um eine Betreuung im Herkunftsland kümmern. Dieses Gebot haben die Berliner Behörden 1997 bei der Abschiebung einer zwölfjährigen Waise nach Vietnam verletzt, die nach Hanoi ins Nichts geschickt wurde. Laut einem Sprecher des Flüchtlingsrates wäre die Abschiebung des 8jährigen Thanh aber auch bei einem Heimplatz in Vietnam nicht Rechtens. „Ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes verpflichtet die Behörden, das Kindeswohl ausländerrechtlichen Fragen überzuordnen.“ Daß ein Kind in einer Familie besser aufgehoben ist als in einem Heim, stünde außer Zweifel, so der Flüchtlingsratssprecher. Marina Mai