■ Normalzeit
: Moderationsmanagement-Macken Von Helmut Höge

Neulich fand im Rahmen der „Agenda 21“ ein Training für ihre Topagenten (die meist in Bezirksämtern sitzen) statt, das ich mir partout nicht entgehen lassen wollte. Zumal es vom einstigen ML-Kommune-I-Gründer in Mitte und jetzigen Nachhaltigkeitstheoretiker Klaus Labsch mit organisiert wurde. Außerdem hoffte ich, dort seinen alten Köpenick-Kumpel und Mitkommunarden, den Grabow-Bürgermeister und jetzigen Regionalkonzeptualisten Gerd Großer, zu treffen, der sonst selten aus seiner saftigen Prignitz rausschaut.

Mitten im schönsten Erzählen über die Moderationspflichten schlug unser sympathischer Supervisor uns vor, schnell mal einige kontemporäre Konflikte aufzuschreiben. Daraufhin teilte er alle in Dreiergruppen ein, in denen wir je fünf Minuten referieren, zuhören und beobachten sollten. Das Zufallstrio, Gerd Großer, ein Kreuzberger Bezirksamtsmitarbeiter und ich, verzog sich ins Kopierzimmer – zum Rauchen. Großers Hauptkonfliktlinie verläuft derzeit zwischen Mann und Frau, d. h., die Frauen in der Prignitz treffen sich, um über ihre männlichen Partner gegnermäßig herzuziehen, anschließend bleibt jedoch alles beim alten, und doch verlassen dort immer mehr Frauen ihre Männer. Der Bezirksamtsmitarbeiter thematisierte seine Anstrengungen, um in Kreuzberg mit allen namhaften Interessenvertretungsgruppen eine regionale „Zukunftskonferenz“ anzuschieben, seit acht Monaten fühle er sich jedoch – obwohl mit allen im Konsens – von der Seite und von oben ausgebremst. Ich versuchte dagegen meine prekäre Finanzpotenz als Pauschalist plausibel zu machen: das elende Schwanken zwischen Notwendigkeit und Freiheit, Einnahmen und Ausgaben, Recht und Gerechtigkeit usw. Drei mörderische Männerschicksale in Mitteleuropa – im ausgehenden Millennium. Am Schluß waren wir uns einig, daß das Beobachten dabei am schwersten fällt! Was nicht etwa heißen soll: Da wendet sich der Gast mit Grausen! Wir konnten ganz einfach besser reden und zuhören. Die Beobachtungen betrafen entweder die Bein- und Handarbeit von Redner und Zuhörer oder registrierten einen Übergang vom „Konflikt“ zum „Problem“. Wobei ich hierbei jetzt nicht mehr so recht den Unterschied zu erkennen vermag.

Aber ich hatte sowieso bei dieser Moderatorenschulung, die mir in ihrer Interesselosigkeit durchaus interessant schien, das Handikap, daß ich nicht wußte, was die „Agenda 21“ überhaupt ist. Als ich nachts nach Hause kam, weckte ich meine Freundin und fragte sie, ob sie die „Agenda 21“ kenne. „Natürlich,“ sagte sie, noch halb schlafend, aber schon wie aus der Pistole geschossen, „das ist zur Modernisierung der Landwirtschaft“. „Quatsch,“ sagte ich, „das ist die ,Agenda 2000‘“. „Dann weiß ich es auch nicht!“ entgegnete sie und drehte sich genervt um. Ich rief Großer an, der schon wieder in der Prignitz saß. Von ihm erfuhr ich schließlich, wenn auch ebenfalls etwas mürrisch („Weißt du, wie spät es hier schon ist?!“), daß es sich bei der „Agenda 21“ um einen Impuls zur Stärkung des regionalen Gedankens durch mehr Partizipation oder Basisdemokratie quasi am Ende – wenn du so willst – handele. Da war ich zufrieden und hängte auf. Denn gegen eine Basisdemokratie läßt sich schlechterdings gar nichts einwenden!

An der „Moderation“ hatte mich die ganze Zeit der alte Sozialarbeiter-Gewerkschaftsgedanke „Es muß immer qualifiziert betreut werden“ gestört. Heißt moderieren nicht sowieso dämpfen? Das wollen wir doch eigentlich gar nicht! Die Wogen sollen doch – im Gegenteil – eher immer hübsch hoch hergehen. Und unsere Aufgabe ist es dabei höchstens, die Leute gegen alle Ämter aufzubringen: Uneinigkeit macht stark. Ehrlich. Andererseits: Wenn erst die Mittel den Zweck heiligen, warum sollte man es dann nicht auch mal mit einer kostenneutralen Anmoderation versuchen?!