Hans Eichel auf dem Weg zum Sparminister

■ Schröders neuer Schatzkanzler will die Ausgaben kürzen. Unternehmer betroffen

Bonn (taz) – Die Bundesregierung will angesichts der desolaten Haushaltssituation die Notbremse ziehen. Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) will „voraussichtlich“ ein Haushaltssicherungsgesetz auf den Weg bringen. Zudem soll die für das Jahr 2000 angekündigte Unternehmenssteuerreform nur noch in Stufen verwirklicht werden. Der finanzpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Joachim Poß, schloß eine Nettoentlastung für die Unternehmen aus.

Eichel sagte: „Man kann aus dem Instrumentenkasten voraussichtlich überhaupt kein Instrument auslassen, und in diesem Sinne ist auch ein Haushaltssicherungsgesetz ein Instrument.“ Mit einem Haushaltssicherungsgesetz kann die Regierung Ausgaben kürzen, die vertraglich oder gesetzlich zugesichert sind, etwa Sozialtransfers und Subventionen. Zuletzt kam es 1982 zu einem Haushaltssicherungsgesetz.

Zur Begründung verwies Eichel auf das „Loch von 30 Milliarden Mark“, das sechs Prozent des Gesamtetats ausmache. Rund zehn Milliarden entfallen auf die Umsetzung der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zur Familienentlastung. Ein drastischer Sparkurs sei notwendig, sagte Eichel. „Alles kommt auf den Prüfstand“. Dies gelte auch für die Reform der Unternehmensteuern: „Alle, die jetzt große Wünsche äußern, müssen wissen, daß dies nicht nur an anderer Seite, sondern zusätzlich eingespart werden muß.“

Ausdrücklich betroffen sind davon zunächst die Unternehmer. Ursprünglich sollten die Unternehmensteuern ab dem 1. Januar 2000 auf 35 Prozent gesenkt werden. Poß bestätigte zwar die geplante Senkung auf „höchstens“ 35 Prozent, bezeichnete aber den angestrebten Zeitpunkt wegen der schwierigen Lage der öffentlichen Haushalte als unrealistisch. Angaben zur Ausgestaltung der Stufen machte er nicht. Das solle eine Expertenkommission der Fraktion klären. Poß zufolge gibt es keinen Spielraum dafür, die Unternehmen zu entlasten. Die effektive Steuerlast sei mit 22,5 Prozent so niedrig wie seit dem zweiten Weltkrieg nicht. Nur Spanien hat von den Ländern der EU einen niedrigeren Wert. Die effektive Steuerbelastung von Kapitalgesellschaften sei in Deutschland bedeutend geringer als in vielen anderen westlichen Industriestaaten.

Die Wirtschaft kritisiert, sie werde durch die rot-grünen Steuerpläne stark benachteiligt. In der Zeitschrift „iwd“ des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) heißt es, daß sich die zusätzlichen Steuerlasten für die Betriebe durch die geplante rot-grüne Steuerreform bis zum Jahr 2002 auf rund 29 Milliarden Mark belaufen würden. Die Regierung bezeichnet diese Zahl als zu hoch. Zusätzlich belastet würden nur die großen Unternehmen. In einem Papier aus dem Finanzministerium heißt es, der Mittelstand werde um 5,5 Milliarden entlastet, die Großunternehmen um 10 Milliarden belastet.

Das Defizit in den Haushalten wird dadurch aber nicht nennenswert verringert. Deshalb gerät auch wieder die Erhöhung von Mehrwertsteuer und Ökosteuer in den Blick. Poß schloß eine Erhöhung der Mehrwertsteuer aus konjunkturellen Gründen aus. Aus dem Kanzleramt sind ganz andere Töne zu vernehmen. Von dort wird gezielt gestreut, daß eine Mehrwertsteuererhöhung im Paket mit Steuersenkungen an anderer Stelle sehr wohl in Frage komme. Es dürfe nur nicht unter dem Strich zu einer Steuererhöhung kommen.

Zu einer Erhöhung der Mineralölsteuer äußerte sich Poß vielsagend: „Der Diskussionsprozeß zur Ökosteuer soll freier werden als beim letzten Mal. Nicht, daß wir Vorgaben per Interview kriegen.“ Im vergangenen Jahr hatte Schröder in einem Interview zur Mineralölsteuer gesagt: „Sechs Pfennig sind das Ende der Fahnenstange.“ Daran hatte sich die Rot-Grün bislang gehalten. Markus Franz