Streit um Tschernobyl-Ersatzreaktoren

■ Koalitionsabgeordnete gegen Finanzierung von AKW. Gaskraftwerk wäre umweltfreundlicher und kostet die Hälfte

Berlin (taz) – Bei Gesprächen zwischen den rot-grünen Fraktionsspitzen soll heute eine Resolution gegen die Finanzierung der Tschernobyl-Ersatzreaktoren Chmelnitzky 2 und Rowno 4 (K2/R4) in der Ukraine diskutiert werden. In dem Entwurf plädieren die grünen Abgeordneten Michaele Hustedt und Monika Griefahn statt dessen für den Bau eines Gaskraftwerkes.

Laut Bundespresseamt soll bei den „anstehenden Sondierungen“ geprüft werden, inwieweit die Ukraine nach Schließung des Tschernobyl-Reaktors im nächsten Jahr überhaupt Ersatzkapazitäten braucht. Eine Veränderung der bisherigen Linie – Schließung des Tschernobyl-Reaktors und Finanzierung von K2/R4 – sei aber nur in Absprache mit den G7-Partnern möglich. Der Bau eines Gaskraftwerkes wäre laut Greenpeace nicht nur umweltfreundlicher, sondern würde auch nur die Hälfte kosten. Umweltschutzorganisationen wie NABU, BUND und Urgewald haben sich an Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) und Abgeordnete gewandt und einen Ausstieg aus der Finanzierung gefordert.

Die ukrainische Stromversorgung stammt zu über 50 Prozent aus Atomkraftwerken. Die installierte Kraftwerksleistung beläuft sich auf 54 GW, wovon 1997 durch die anhaltende Wirtschaftskrise des Landes nur rund die Hälfte gebraucht wurde.

Besondere Brisanz erhält die seit Wochen andauernde Diskussion zwischen Umwelt-, Finanzministerium und nun zwischen Regierung und Parlamentariern durch die am Wochenende beginnende Jahrestagung der Osteuropabank in London. Sie stellt der Ukraine einen Kredit in Höhe von 340 Millionen Mark in Aussicht. Der Kredit der Bank gilt als Schlüsselkredit, mit dem weitere Finanziers für das rund 3,1 Milliarden Mark teure Projekt animiert werden sollen.

Über die Bewilligung soll im Exekutivdirektorium der Bank zwar erst im Mai entschieden werden, Umweltschützer befürchten aber, daß angesichts des deutschen Zögerns hinter verschlossenen Türen Fakten geschaffen werden. Die Bundesregierung hält in der Bank einen Stimmenanteil von 8,7 Prozent. Sie will sich bilateral laut Greenpeace mit 810 Millionen Mark an der Finanzierung beteiligen. Sollten die Deutschen tatsächlich aus der Finanzierung aussteigen, würde damit nach Angaben von Hustedt ein Präzedenzfall geschaffen. Die Osteuropabank ist schon einmal bei der Finanzierung des slowakischen Kraftwerkes Mohovce an den Protesten von Umweltschützern gescheitert. Ist sie auch diesmal nicht dabei, dürfte eine wichtige Finanzierungsquelle für Ostreaktoren versiegen. Maike Rademaker