Clinton kanzelt Fischers Friedensplan ab

■ Die Bundesregierung legt einen Plan zur Beendigung des Kosovo-Konflikts vor. Außenminister Joschka Fischer will Rußland einbeziehen und ein Mandat des UNO-Sicherheitsrates. Die USA lehnen eine Feuerpause strikt ab

Berlin (rtr/taz) – Die USA haben eine Feuerpause in Jugoslawien ausgeschlossen, solange die Forderungen der Nato nicht alle erfüllt sind. Vorher werde es keine Diskussion über einen Stopp der Bombardierungen geben, sagte der Sprecher von Präsident Bill Clinton gestern in Washington. Er lehnte damit einen Kernpunkt des deutschen Friedensplans für das Kosovo ab, der von Bundesaußenminister Joschka Fischer vorgelegt worden war. Der Friedensplan wurde gestern auf dem EU-Sondergipfel erörtert. Bei dem Treffen der Staats- und Regierungschefs mit UNO-Generalsekretär Kofi Annan sollten am Nachmittag in Brüssel die Möglichkeiten einer Einstellung der Angriffe auf Restjugoslawien sondiert werden.

Der sechsstufige deutsche Plan beruht auf den fünf Kernforderungen, die von der Nato, der EU und dem UNO-Generalsekretär erhoben werden. Dazu gehört vor allem der Abzug der jugoslawischen Sicherheitskräfte und die Rückkehr der Flüchtlinge in das Kosovo unter dem Schutz einer internationalen Streitmacht.

Das US-Außenministerium hat den deutschen Plan immerhin als „konstruktiv“ bezeichnet. Voraussetzung einer Umsetzung sei jedoch, daß Milošević die Bedingungen der Nato erfülle.

Auf die Frage nach der Zustimmung zu der Initiative sagte Fischer gestern vor einer Sitzung der grünen Bundestagsfraktion: „Wir werden daran arbeiten müssen.“ Und gefragt, ob er beim Streit um die Führung einer internationalen Schutztruppe weitergekommen sei, erklärte er: „Nicht so weit, daß ich Ihnen etwas mitteilen könnte.“

Neu an den Vorschlägen ist, daß die Forderungen – nach Beratungen mit Rußland bei einem G8-Treffen – dann im UNO-Sicherheitsrat als Resolution beschlossen werden sollen. Es würde damit ein UN-Mandat für die Schutztruppe geben. Zudem soll die Nato ihre Luftangriffe für 24 Stunden unterbrechen, wenn der jugoslawische Präsident Slobodan Milošević damit beginnt, seine Truppen aus dem Kosovo abzuziehen. Neu ist ferner, daß nach dem Abzug aller jugoslawischen Kräfte das Kosovo vorübergehend unter UNO- Regie verwaltet werden soll.

Zu einer Einbindung Rußlands in eine Schutztruppe erklärte Fischer gegenüber der taz: „Rußland ist ein Vertrauensfaktor gegenüber der serbischen Seite. Deshalb fände ich es sehr gut, wenn es integriert würde.“ Der Modus einer solchen Truppe müsse noch erörtert werden. Staatsminister Volmer sprach sich dafür aus, daß die Nato die Schutztruppe führt. Etwas anderes wäre mit den USA nicht zu machen, sagte er gestern im Rundfunk. Der außenpolitische Sprecher der CDU/ CSU-Fraktion, Karl Lamers, sprach in dieser Hinsicht gegenüber der taz von einem Dilemma: „Wenn wir einerseits Rußland einbeziehen, darf die Schutztruppe nicht allzusehr auf die Nato zugeschnitten sein. Andererseits muß im Kern die Nato die Überwachung im Kosovo übernehmen, weil ansonsten die Funktionsweise der internationalen Truppe im Kosovo nicht sichergestellt wäre.“

Während die USA einen möglichst starken Nato-Kern und ein Nato-Kommando für die Schutztruppe fordern, will Rußland sowenig Nato wie möglich und Belgrad im Grunde gar keine Schutztruppe, sondern höchstens zivile Beobachter. Auch beim Treffen am Dienstag zwischen US-Außenministerin Albright und ihrem Kollegen Iwanow in Oslo gab es in diesem Punkt keine Einigung. Iwanow hatte zudem darauf bestanden, daß die jugoslawische Regierung der Stationierung einer Schutztruppe zustimmt.

Die Reaktionen der Nato auf den deutschen Plan fielen zurückhaltend aus. Ihr Sprecher James Shea sagte gestern in Brüssel, der Vorschlag sei ein nützlicher Einstieg in die Überlegungen, wie letztlich die Diplomatie wieder ins Spiel kommen könne. Im Moment sei das Papier aber nur „Nahrung für Denkspiele“.

Nach Einschätzung Fischers wird es möglicherweise nicht zu einem Treffen der sieben führenden Industriestaaten und Rußlands (G8) kommen: „Ob der G8-Gipfel nächste Woche zustande kommt, ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht abzusehen.“ Denkbar sei, daß das Treffen gar nicht notwendig sei, weil es einen direkten Weg geben könnte, den UNO-Sicherheitsrat mit dem Thema zu befassen. b.s.