Staatsknete für Luxuswohnungen

■ Kehrwiederspitze: Oberbaudirektor macht Investoren teure Zugeständnisse / Senat nasführt Bürgerschaft und Öffentlichkeit Von Florian Marten

Die Stadt Hamburg ist bereit, den Bau von 100 Luxuswohnungen an der Kehrwiederspitze durch die Investorengruppe Citibank/P&O mit erheblichen Mitteln zu subventionieren. Gestern bestätigte Stadtentwicklungssenator Thomas Mirow den Inhalt eines entsprechenden „vertraulichen Ergebnisvermerkes“, welcher der taz hamburg vorliegt. In der Antwort auf eine Anfrage der GAL zu diesem Punkt hatte der Senat in der vorigen Woche dagegen noch behauptet: „Ob die Realisierung einer Wohnnutzung finanzielle Konsequenzen haben wird, läßt sich zur Zeit noch nicht übersehen.“

Bei dieser Aussage dürfte es sich, folgt man den Grundregeln der deutschen Sprache, um eine handfeste Lüge handeln. Während Stadt und Investoren gegenwärtig in einem Architektenwettbewerb die Möglichkeiten der Umplanung von Büros in Luxuswohnungen prüfen (taz berichtete), haben sich Stadtvertreter bereits vorab zu massiven Zugeständnissen an die Investorengruppe bereit erklärt, die in einem „Ergebnisvermerk“ vom 16. März 1995 festgehalten werden.

Darin heißt es unter anderem: „Zur Entwicklung von Wohnbauflächen auf der Kehrwiederspitze wurden folgende Verabredungen getroffen“:

– Die Beteiligung an den Kosten eines Architektenwettbewerbs (Stadtanteil: 110.000 Mark);

– Der Verzicht auf Nachforderungen zum Kaufpreis bei Aufstockung des Bauvolumens (nach Expertenschätzung ein Verzicht auf 5 bis 20 Millionen Mark) und

– Der Rückkauf von Brücken, Stegen, Kaimauern sowie von Freiflächen am Zollkanal.

Mirow hat freilich noch nicht nachgerechnet: „Ich weiß nicht, was das bezifferbar bedeuten würde.“ Für ihn hat der Senat auch nicht gelogen, weil ja noch nicht sicher sei, ob die Wohnungen überhaupt gebaut würden.

Patrick Taylor jedoch, der die Investoren als Chef der Hamburger Niederlassung des Immobilientrusts Hanseatic Trade Center Gmbh & Co Grundbesitz KG (HTC) vertritt, weiß den Wert dieser Versprechen wohl zu würdigen: „Wir sehen das Ganze wirtschaftlich.“ Zugeständnisse für Wohnungsbau? „Das liegt an der Stadt.“ Das unmißverständliche Selbstbewußtsein in Taylors Stimme, klärt ein kleiner Blick in die Entstehungsgeschichte des Deals auf.

Im langgestreckten Amtszimmer von Oberbaudirektor Egbert Kossak ging es am 16. März 1995 mal wieder hoch her. Gut gelaunt jonglierten acht Herren und eine Frau – nicht zum ersten Mal – mit dem Geld des Steuerzahlers. Kossak, die kleine Fliege flott am Hals, wollte es endlich wissen. Sehr zur Freude eines HTC-Trios, das unter Patrick Taylors Führung in mehreren Vorgesprächen die Grundzüge des Deals längst ausgehandelt hatte.

Anlaß war die Flaute auf dem hansestädtischen Büromarkt, welche die Rentierlichkeit des bisherigen Projektkonzeptes zunehmend in Frage stellte. Profitieren sollten von dem neuen Deal alle: Für Kossak der Architektenwettbewerb, für Stadtplaner 100 Luxus-Eigentums-Wohnungen in der City, für die HTC satte Extra-Profite – nur die Stadtkasse mußte ein wenig nachhelfen.

Am frühen Nachmittag hatten sich die Neun von der KehrwiederBaustelle sich geeinigt. Der Deal „Luxus-Wohnungen gegen Staatsknete“ war perfekt. Sogar die sonst so einnahmenfixierte Finanzbehörde, neben HTC, Stadtentwicklungsbehörde und Bezirksamt Mitte ebenfalls mit von der Partie, hatte ihr Einverständnis gegeben. Der knappe, gleichwohl inhaltsschwere „Ergebnisvermerk“ hielt den Deal Schwarz auf chlorfrei gebleichtem Weiß fest. Schließlich wollte HTC sicher sein, im Fall der Fälle vor Gericht auf Schadenersatz klagen zu können.

Denn: Sollte es zu einer Änderung des ursprünglichen Vertrages kommen, also zu Wohnungsbau kommen, müßte die Bürgerschaft zustimmen. Gegen diese parlamentarische Kontrolle hat sich die HTC mit der Unterschrift Kossaks unter dem Ergebnisvermerk jedoch bestens abgesichert.

Nur Mirow, als ehemaliger Berater eines gescheiterten Bewerbers um die Kehrwiederspitze (Royal Trust), bestens im Film, fragt, was denn an all dem „skandalträchtig“ sein soll: „Das paßt stadtentwicklungspolitisch in die Zeit.“