Kommentar
: Die Karten neu mischen

■ Warten auf den Frühling

Rot-Grün ohne Mehrheit, so lauten zur Zeit die Meinungsumfragen, und die CDU im Aufwind. Rot-Grün hat bisher nicht klarzumachen vermocht, für welchen Kurs das Bündnis eigentlich steht. Das Hauptstädtische, das kulturelle und das an kleinen Verbesserungen interessierte Milieu jenseits von GEW und ÖTVweiß noch immer nicht, wohin Momper und Co. das Ganze eigentlich steuern wollen. Noch weniger wissen es die Zuzügler unter den Hauptstädtern, da ist kein Aufbruch und noch weniger ein Signal. Rot-Grün ist auf keinen Fall ein Selbstläufer. Das haben inzwischen auch einige Sozialdemokraten gemerkt. Und daß die CDU als stärkste Partei einer wird, kann auch der Jung-Wahlkampf-Manager Wohlrabe nicht garantieren. Nein, die Parteien müssen heraus aus ihrem eingepferchten Terrain, aus ihrem additiven Zahlenghetto. Warum eröffnen Bündnis 90/Grüne nicht eine politische Offensive auch gegenüber der CDU. Der parlamentarische Alltag ist doch längst nicht mehr von Scheuklappen eingeengt. Beispiel Berliner Wasserbetriebe, hier fahren beide Parteien einen fast identischen Kurs. In Fragen der Erziehungspolitik, in Fragen entwicklungspolitischer Unterstützung kam es auch in Berlin immer wieder zu Übereinstimmung beider Parteien. Gewiß, eine solche offene Politik, die die babylonische Fixierung auf die SPD hinter sich läßt, wird nicht einfach vergessen, daß es noch immer die CDU der 80er Jahre ist, die der Skandale und braunen Briefumschläge, die die Politik der Stadt bis heute prägt. Umgekehrt vergißt auch die CDU nicht die Herkunftder Bündnisgrünen aus Spontisumpf und KPD-Vergangenheit. Das sind die Fronten von einst und die Kämpfe von damals. Vielleicht lohnt es sich, nach neuen poltischen Feldern zu suchen. Felder, die die so sehr verfeindeten Partner in anderen Kommunen trotzdem haben zusammenarbeiten lassen. Zumindest darf man in Berlin ja wohl eine solche Debatte fordern.

Alle Parteien sollten untereinander koalitionsfähig sein, es gibt keinen wirklich wichtigen Grund, warum dieser Satz in Berlin keine Geltung haben sollte. Es sei denn, um den Preis des Stillstands, der unproduktiven Harmonie. Benedikt Maria Mülder