Lob der Fernlenkwaffe  ■   Von Mathias Bröckers

So eine „Tomahawk“, ich gebe es zu, hätte ich gerne auf dem Balkon: Auf 1.600 Kilometer Reichweite bei punktgenauer Treffsicherheit irgendeinem Arschloch die Hundehütte wegputzen zu können ist schon ein verdammt gutes Gefühl.

Daß dabei aus Versehen einmal eine Zugladung Zivilisten getroffen wird, kann zwar der Hersteller des Präzisionsgeräts, die Raytheon Systems Company in Tucson, Arizona, nicht 100prozentig ausschließen – doch das ist nun mal der Preis der Technik. 600.000 Dollar kostet eine „Tomahawk“ momentan noch, doch bei ziviler Nutzung von Cruise-Missiles ist hier ein ähnlicher Preisverfall wie bei Computern oder Handys zu erwarten. Und die Geschmacklosigkeit, die Rakete nach dem Kriegsbeil einer Völkermord und Ausrottung anheimgefallenen Rasse zu benennen, um fortan damit Völkermord und Ausrottung zu bekämpfen, derlei Zynismus wird sich dann sicherlich auch vermeiden lassen.

Mit dem Einstieg in die zivile Hochrüstung werden Cruise-Missiles so erschwinglich wie Mittelklassewagen und das Menetekel des seligen Franz Josef Strauß (bevor er dann Verteidigungsminister wurde) – „Wer noch einmal ein Gewehr anfaßt, dem soll die Hand abfallen“ – würde doch noch Realität. Wer muß noch eine Wumme anfassen, wenn die Sache per Knopfdruck und Fernbedienung zu erledigen ist? Bodenturnen – nein danke! Wo sich selbst ein Ernst Jünger noch kurz vor Ladenschluß nottaufen läßt, gehört das Mann-gegen-Mann-Gemetzel endgültig der Vergangenheit an. Bezeichnenderweise haben das die alten Haudegen der Oberleutnant-Generation wie Dregger oder Helmut Schmidt längst erkannt, während ungediente Schreibtischstrategen der Nachkriegsgeneration mit erigiertem Stift flockig zum Marsch blasen.

Eine Liberalisierung der Raketenmärkte durch Aufsprengung des militärischen Monopols würde natürlich ungeahnte Marktkräfte entfalten, die private Stationierung von Fernlenkwaffen schlagartig und weltweit zu einer Art Volkssport und Einschläge so selbstverständlich wie Verkehrsunfälle. Der Technik des Autos werden per anno in Deutschland derzeit immerhin ca. 5.000 Leben geopfert – mehr als die „Tomahawks“ seit ihrer Indienststellung in den 80ern dahingerafft haben. Bis die allgemeine Raketisierung so gefährlich und tödlich ist wie die Automobilisierung, würde wahrscheinlich eine ganze Weile dauern. Denn: erst in dem Moment, wo auch der hinterletzte Otto Normal über die tollste aller Erstschlagwaffen verfügt, wird sich an der allgemeinen Bumm-Bumm-Mentalität etwas ändern.

Ob ich meine persönliche Tomahawk jetzt in Richtung Belgrad feuern würde, möchte ich doch sehr bezweifeln – aber die Rüstungsindustrie, die zur Zeit nur kurzfristig boomt, wäre auf Dauer im Geschäft und Arbeitsplätze kein Thema mehr. Familienstreitigkeiten, säumige Zahler, lärmende Handwerker, penetrante Finanzämter ... kein Problem, wenn ein ziviles Gleichgewicht des Schreckens erst existiert.

Stell dir vor, jeder kann feuern – aber keiner drückt ab.