Eine Landeshauptstadt vermißt die taz

■ Denn leider schaut in Magedeburg irgendwie keiner mal vorbei

Als „Lieblingsheldin der Gegenwart“ bezeichnet der tagesthematische Ulrich Wickert die taz, und auch die Gratulations-Anzeigen der heutigen Ausgabe zeigen: Man muß sie mögen, diese tageszeitung. Pressesprecher, die zuvor bei der taz waren, können also nur von einem Wunsch durchdrungen sein: Sie wollen von ehemaligen KollegInnen angerufen und mit spritzigen Fragen überrascht werden.

Im Justizressort gäbe es dazu reichlich Anlaß: Während die „Kopf-Ab"-Populisten wieder an Zuspruch gewinnen, verteidigt die taz — bisweilen ungewollt Seit' an Seit' mit den JustizministerInnen — die Rechtsstaatlichkeit. Ein potentieller Lichtblick also für einen Justiz-Pressesprecher in Sachsen-Anhalts Landeshauptstadt.

So ein Lichtblick täte manchmal gut, denn zugegeben: Magdeburg verfügt nicht gerade über einen Charme, der sich aufdrängt. Doch leider bringen auch tazlerInnen keine Freude hierher, denn zumindest dienstlich schaut irgendwie keiner mal vorbei. Dabei ist die Stadt für die Berichterstattung offensichtlich interessant genug: Spätestens seit der Hatz rassistischer Jugendlicher auf Farbige, den sogenannten Herrentagskrawallen, ist Magdeburg weit häufiger in der taz als die taz in Magdeburg. Da zudem ein noch minderjähriger Punk umgebracht wurde und die DVU in den Landtag gelangte, ist offensichtlich auch in der Berliner Kochstraße klar: Ganz Magdeburg ist von den Braunen besetzt.

Ganz Magdeburg? Ja. Von solcher Berichterstattung fühlen sich jedoch all' diejenigen mit den rassistischen Dumpfköpfen alleine gelassen, die nur diese und nichts anderes mehr in den Medien finden. Das Projekt Alternativ leben und wohnen zum Beispiel, in der ganzen Stadt als U8 bekannt, kann aber eben nur kennen, wer schon einmal hier war.

Wäre allein wahr, was so zu lesen steht, dann wäre wirklich erstaunlich, wie viele KollegInnen es an jedem Morgen wieder unverletzt ins Ministerium geschafft haben.

Nun gilt die Reportage vielen als Königsdisziplin — aber nur in ihrer Perfektion. Denn für ihre triviale Variante ist sie nur für folgendes geeignet: CDU-Stände, an denen Unterschriften gegen den Doppelpaß gesammelt werden; Prüfungen, bei denen Männer einer Frau eine schlechte Note geben, oder eben — Magdeburg. Denn um Klischees und Klientel zu befriedigen, muß die Gegenseite ebensowenig gehört wie der Tatort aufgesucht werden.

Ich vermisse sie, meine alte taz, vor allem vor Ort. Christian Arns

Der Autor (31 J.) arbeitete von 91 bis 96 als Autor und Redakteur für die taz. Bis 98 war er Sprecher des Justizministeriums in Sachsen-Anhalt. Er promoviert über das Thema „Parlamentsberichterstattung“.