■ Die UÇK, die kosovo-albanische Befreiungsarmee, taugt weder für den Frieden noch für einen Krieg. Der Westen mißtraut ihr zu Recht
: Die neuen Herren im Kosovo?

Innenminister Beckstein, ganz schlitzohriger Bayer, hatte die Chance zur Lösung des Nato-Bodentruppen-Dilemmas sowie seines albanischen Flüchtlingsproblems schnell begriffen. Man möge die albanischen Patrioten in der Bundesrepublik und anderswo dabei unterstützen, ins Kosovo zurückzukehren, um ihre Heimat im Kosovo zu verteidigen.

Zumindest den militärischen und politischen Führern der ominösen Guerillatruppe UÇK sprach der bayerische Innenminister damit aus dem Herzen. Bereits vor zwei Jahren hatten die nämlich in Europa die Trommel geschlagen für eine Entmachtung des frei gewählten Präsidenten der Kosovo- Albaner, Ibrahim Rugova, dessen Demokratischer Liga von Kosovo (LDK) und vor allem gegen die Fortsetzung von deren Politik des gewaltlosen Widerstands in den letzten zehn Jahren.

Anfang letzten Jahres setzte die Befreiungsarmee für Kosovo (UÇK) Fakten. Nach zahlreichen Überfällen und Terrorakten gegen Polizeistationen der serbischen Besatzer, aber auch serbischer Zivilisten hatte die jugoslawische Regierung endlich die lange erwartete Legitimation, ihre Militärmaschinerie auf dem Amselfeld zur ethnischen Säuberung von den verhaßten Illyrern einzusetzen. Seit Beginn der Nato-Bombardements und der zunehmenden westlichen Überzeugung, daß ein Krieg um das Kosovo ohne Einsatz von Bodentruppen kaum zu entscheiden sei, wird die UÇK nicht müde, ihre unausgebildeten und miserabel bewaffneten Guerilleros quasi als Vorhut der Nato oder deren Bodentruppen wie saures Bier anzubieten.

Doch das westliche Militärbündnis zögert. Und zwar mit gutem Grund. Die wilde Truppe, so die bisherige Erfahrung, taugt weder für einen wie auch immer gearteten Krieg noch gar für einen künftigen Frieden. Die Erfolge der sogenannten Befreiungsarmee erschöpften sich bereits im vergangenen Jahr in zielloser Ballerei mit Kalaschnikows und anderen untauglichen Schießprügeln sowie in martialischen Auftritten als albanische Djangos, rekrutiert aus albanischen Emigranten in der Schweiz und der Bundesrepublik, die Krieg bisher nur aus dem Fernsehen kannten.

Die patriotische Truppe, die sich bisher noch mit keiner einzigen Erklärung über ihre politischen Vorstellungen hervortat, ist in ihrer Kommandostruktur gleichwohl eine illustre Mischung aus ehemaligen Kommunisten, die früher auch schon einmal den Anschluß an das Steinzeit-Regime von Enver Hodscha forderten, dazu Vertreter eines Großalbanien und, wie immer bei balkanischen Querelen, all diejenigen, die sich mit der Einführung des militärischen Faktors im Kosovo auch einen Zugriff auf die künftige politische Macht im Kosovo sichern wollten.

Der nahezu unbehelligte Einmarsch der UÇK-Rebellen über die albanische Grenze ins Kosovo im Februar vergangenen Jahres gab dann vor allem denjenigen ziemliche Rätsel auf, denen gerade diese Grenzregion als eine der bestgesicherten rund um Restjugoslawien geläufig war, deren unerkannte Überwindung über kilometerweit einsehbare, weil kahle Gebirgsregionen als unmöglich galt. Spekulationen unter Kosovo-Albanern in Priština sprachen sogar von einer konzertierten Aktion zwischen den UÇK-Rebellen und der vor Ort stationierten serbischen Armee.

Sicher ist heute jedenfalls, daß das Einsickern der UÇK mitsamt Lasteseln und Schießprügeln nur mit Duldung der serbischen Armee möglich war und vor allem auch deren Bedürfnis nach einer militanten Eskalation im Kosovo entsprach.

Der Rest ist bekannt. Die Scharmützel der UÇK führten zum massiven Einsatz der serbischen Armee mit Panzern und schweren Geschützen und, weil die UÇK- Kämpfer als Guerilla kaum faßbar waren, zur Zerstörung von Hunderten von albanischen Dörfern und Siedlungen, zu Massakern unter der albanischen Bevölkerung und einem Massenexodus von fast 300.000 Zivilisten. Daß die UÇK im Verlauf ihrer Aktionen auch nicht davor zurückschreckte, sogenannte Kollaborateure unter kosovo-albanischen Zivilisten zu exekutieren, ist bekannt. Die tatsächliche Anzahl ihrer Opfer wird erst nach Ende dieses Krieges zu ermitteln sein.

Daß diese Rebellenarmee jetzt darauf drängt, gewissermaßen zur Bodentruppe der Nato geadelt zu werden, scheint in Anbetracht von deren „Kriegsfähigkeit“ nicht nur absurd, sondern könnte nach einem Desaster für die unausgebildeten jugendlichen Patrioten auch für das westliche Militärbündnis schnell zur weiteren Katastrophe in diesem Krieg selbst werden. Daß es den UÇK-Rebellen inzwischen gleichwohl gelungen ist, die bisherige, gewaltfreie Politik des Präsidenten Ibrahim Rugova in die achtziger Jahre zurückzuschießen und sich der Welt als neue Herren in Kosova zu präsentieren – das ist schon Tragödie genug. Den Westen hatte Rugova seit acht Jahren bekniet, seine gewaltfreie Politik zu unterstützen. Doch der Westen schien sich selbst dann nicht zu wundern, als die militanten Herren ohne jegliche Legitimation in Rambouillet mit am Verhandlungstisch saßen. Nun muß er die Geister wieder loswerden, die er rief. Dietrich Willier

Der Autor war von 1981 bis 1989 taz-Korrespondent für Südwestdeutschland. Seitdem arbeitet er als Journalist vor allem auf dem Balkan