Solana marschiert voran: Nato zum Landkrieg bereit

■ Anzeichen für Einsatz von Nato-Bodentruppen im Kosovo verstärken sich: Britische Zeitung berichtet von konkreten Vorbereitungen für eine Einmarschtruppe. Nato-Generalsekretär schließt neue Strategie nicht aus

London (rtr/AFP/dpa) – Nato-Generalsekretär Javier Solana schließt den Einsatz von Bodentruppen im Kosovo nicht mehr völlig aus. „Zu diesem Zeitpunkt glauben wir, daß die Luftangriffe genügen“, sagte Solana gestern im britischen Fernsehsender BBC. „Deshalb werden wir diese Politik, diese Strategie jetzt nicht ändern. Aber wenn der Augenblick kommt und es wäre notwendig, bin ich sicher, daß alle Nato-Mitglieder bereit wären, es zu tun“, fügte Solana hinzu.

Auch Bundeskanzler Gerhard Schröder hielt in einem Interview mit dem US- Nachrichtenmagazin Newsweek die Option für einen Landkrieg offen. Auf die Frage, ob die Nato bei Erfolglosigkeit nicht doch Bodentruppen einsetzen müsse, sagte er: „Wir wollen keine Bodentruppen entsenden, doch ich denke, daß wir über jeden Zweifel die Fähigkeit bewiesen haben, sowohl in der Außen- als auch in der Sicherheitspolitik zu handeln, obwohl einige Leute am Anfang ihre Zweifel an unserer Entschlossenheit hatten. Die Nato muß diesen militärischen Konflikt gewinnen. Wir dürfen es Milošević nicht erlauben, zu gewinnen.“ Er wies die Ansicht zurück, daß der SPD-Parteitag „strikt die Entsendung von Bodentruppen verboten hat“.

Die britische Sonntagszeitung Observer hatte zuvor berichtet, ein Landkrieg werde schon konkret vorbereitet. US-Soldaten trainierten im Bundesstaat Colorado bereits für den Einmarsch. 80.000 Nato-Soldaten seien für die Offensive vorgesehen. Gegenwärtig finde ein radikales Überdenken der bisherigen Nato-Strategie statt. „Wir sprechen über den Einsatz von Bodentruppen in einer Weise, wie sie noch vor einem Monat ein völliges Tabu war“, zitierte das Blatt hochrangige Kreise in London und Washington.

Eine Invasion könnte frühestens Ende Mai beginnen, hieß es weiter. Geplant sei ein Vorstoß in das Zentrum des Kosovo mit Panzern und Artillerie. Nach Angaben eines Washingtoner Nato-Vertreters sollen außerdem weitere 200.000 Mann an den Außengrenzen zu Jugoslawien stationiert werden. Die Nato schließt offiziell einen Kampfeinsatz von Soldaten im Kosovo bislang aus – nach den Worten des russischen Außenministers Igor Iwanow nur aus Rücksicht auf die Öffentlichkeit. Da eine solche Invasion viele Opfer auf beiden Seiten bedeuten würde, bestreite die Nato ihre Absichten, um die Menschen zu beruhigen, sagte Iwanow in einem Interview, das die spanische Zeitung El Pais gestern veröffentlichte.

Der britische Außenminister Robin Cook wies Berichte über Vorbereitungen für einen Kampfeinsatz von Nato-Bodentruppen zurück. Es gebe weder die Absicht noch Planungen dafür, sagte er im Fernsehen. Nach seinen Worten würde eine Invasion zwei bis drei Monate Vorbereitung erfordern; so lange könne die Nato nicht warten.

Nach Angaben des Kommandeurs der 3. Armee der jugoslawischen Streitkräfte ist das Land auf einen Bodenkrieg gut vorbereitet. Im Kosovo seien mehr als 150.000 Mann unter Waffen, sagte General Nebosja Pavković der Nachrichtenagentur Tanjug. Das reiche aus, um die Nato zu besiegen, wenn sie einmarschieren sollte; es brauche nur jeder dritte Schuß ein Treffer zu sein. „Ausländische Soldaten werden ohne schwere Verluste nicht in dieses Gebiet kommen“, fügte er hinzu.

Unterdessen gingen die Luftangriffe der Nato unvermindert weiter. Nur schlechtes Wetter habe sie zeitweise behindert, erklärte die Nato. Von Samstag bis Sonntag morgen wurden nach Angaben aus Kreisen der Allianz Straßen, Treibstoffdepots, Flugplätze, Radaranlagen und Flak-Raketenstellungen angegriffen.

Nach serbischen Angaben waren vornehmlich Industrieanlagen und Straßen Ziel der Bombardements. Bei einem Angriff auf den Belgrader Stadtteil Batajnica sollen ein dreijähriges Mädchen getötet und fünf Menschen verletzt worden sein.

US-Präsident Bill Clinton machte in einem Beitrag für die britische Zeitung Sunday Times deutlich, daß für eine Lösung der Kosovo-Krise Jugoslawiens Präsident Slobodan Milošević abtreten müsse. Eine Lösung des Konflikts sei nur dann möglich, wenn in Serbien ein tiefgreifender Wandel zur Demokratie stattfinde.