Der Kasper vom Weserstadion

■ „Tritratrullala, der Kasper ist wieder da.“ Auch in Zeiten von Fernsehen und Multimedia setzt Familie Maatz unverdrossen auf traditionelles Puppenspiel – mit Kasper, Teufel und Großmutter.

Bei Familie Maatz ist die Welt (fast) noch in Ordnung. Schon seit Urgroßvaters Zeiten erweckt sie den Kasper, den Teufel und den Zauberer in ihrem Handpuppentheater zum Leben und kann sich sicher sein: Der Funke springt auf die Kinder vor der Bühne über. Wenn Kasper sein Kasper-Lied „Tri tra trullala, der Kasper ist wieder da!“ singt und fragt: „Seid ihr auch alle da?“ Dann antworten die Kinder mit einem schallenden „Ja“. Und es ist egal, ob Willy, Edeltraud, Jonny, Nicole und Mandy Maatz mit ihrem „Europäischen Handpuppen-Theater W. Maatz“ in ihrem Heimatdorf Jakarat bei Köln auftreten oder an ihrem aktuellen Gastspielort Bremen. Denn auch im Theaterzelt, das jetzt unten auf dem Parkplatz des Weserstadions aufgebaut ist, rasten die Kinder richtig aus vor Begeisterung.

„Auch im Zeitalter von Fernsehern und Multimedia kann den Kasper nichts unterkriegen“, weiß Edeltraud Maatz, die Leiterin der Puppenbühne. Ihr Lebensinhalt ist es, das 1862 gegründete Figurentheater in der vierten Generation weiterzuführen. Vier Truppen sind unterwegs. Eine von ihnen gastiert noch bis zum 26. April in Bremen. Gespielt wird jeweils in der Sprache des Gastlandes. So knüppelt der Kasper auch auf Flämisch, Englisch oder Französisch auf den Teufel ein.

Früher spielten sie in festen Einrichtungen wie Schulaulen oder Turnhallen. Vor drei Jahren haben sich Edeltraud und Willy Maatz für die inzwischen 45 Jahre alte Bühne ein Zelt gekauft und sich damit einen Kindheitstraum erfüllt. Nicht nur die Distanz zwischen Puppenspieler und Kindern ist damit gewichen. Auch die Atmosphäre ist ganz anders. Genauso wie in einem kleinen Zirkus: Der Wind spielt mit den Zeltwänden, der Geruch von Popcorn steigt einem in die Nase. Fehlen eigentlich nur noch die Sägespäne auf dem Boden. Statt dessen läuft man aber auf matschigem Sandschlammboden.

„Es ist das erste Mal, daß wir in Bremen gastieren, so daß ich vorher nichts von solchen Umständen wußte“, bedauert Edeltraud Maatz die dürftigen örtlichen Gegebenheiten neben dem Weserstadion. Daß an ihrem Ankunftstag gerade das Spiel Werder-HSV ausgefochten wurde und sie deshalb erst auf die letzte Minute mit dem Zeltaufbau beginnen konnten, sorgte nicht gerade für den herzlichen Empfang, den sie aus anderen Städten gewohnt sind. Die Zeit drängte, alle Truppenmitglieder mußten wie immer kräftig mit anpacken. „Wir sind wie ein fahrendes Volk vom Familienzusammenhalt geprägt“, so Edeltraud mit einem Blick auf die Bilder ihrer Kinder, die im komfortablen Wohnwagen die Wände zieren. „Das Leben ist nicht immer einfach, wenn man die meiste Zeit quer durchs Land auf Tournee ist.“ Ihre neunjährige Tochter Mandy kann die Schulen schon gar nicht mehr zählen, die sie alle besucht hat.

Das gehört dazu bei einer fahrenden Puppenbühne. 1862 hat sie mit Marionettenspiel begonnen und wird seit 25 Jahren mit Handpuppen weitergeführt. „Echte Hohnsteiner“, zeigt Willy seinen ganzen Puppenstolz. Dessen Kaspergesicht soll in der ganzen Welt bekannt sein. Ob auch die Kinder die charakteristischen Züge erkennen? Egal, darum geht es ihnen auch nicht. Fasziniert sitzen sie vor der historischen Bühne – fiebern und spielen mit. Das ist für Puppenspieler Willy Ehrensache: „Ich spiele nicht wie vom Tonband stur mein Stück, sondern gehe auf die Fragen und Zurufe der Kinder ein. Durch meine Gucklöcher in der Bühnenwand halte ich zu ihnen Kontakt.“ Darin liegt wohl auch das Erfolgsrezept. Die richtige Mischung zwischen spielerisch und lehrreich zu finden, um so die Kinder mit den aktuellen Themen zu konfrontieren. Die Stücke stammen aus der Feder von Sohn Jonny, der ebenso wie seine beiden Schwestern 100prozentig davon überzeugt ist: „Pupenspieler – der schönste Beruf.“ Recht ungewöhnlich für einen 22jährigen.

Die Spielweise der Familie Maatz ist traditionell, die Themen sind es nicht. An unserem Besuchstag ist es das Thema Umwelt. Die eher plumpe Moral der Geschichte: Kinder, schützt die Umwelt durch Müllvermeidung. Aus Leibeskräften schreit das begeisterte Publikum gegen den Teufel an, wenn er sie mit seinen süßen Verlockungen einwickeln will.

40 Minuten dauert das Stück. Zusammen mit den Kindern versuchen Kasper, Hund Wuff, der mit seinem slapstikartigen Slogan „Knackwurst, Currywurst“ ganz die Lacher auf seiner Seite hat, und die von der neunjährigen Mandy gesprochene Prinzessin Morgenschön, das Blumental als einzigen heilen und sauberen Ort vor dem Teufel Tunichtgut zu retten. Am Ende siegt natürlich stets das Gute. Eine schöne Welt!

Sarah Edel

Familie Maatz spielt noch bis zum 26. April täglich um 16 Uhr auf dem Parkplatz am Weserstadion; auf dem Programm stehen drei verschiedene Stücke.