Die Polizei, dein Jäger und Sammler

■ Der Bremer Datenschutzbeauftragte Stefan Walz moniert: Polizei sammelte Uralt-Bilder von Demonstrationen / Fotos und Videos sind inzwischen zum größten Teil gelöscht worden

Letzten Sommer machte Stefan Walz, Landesbeauftragter für den Datenschutz, eine überraschende Entdeckung. Uraltes Bildmaterial von unbescholtenen Demonstrationsteilnehmern lagerte in den Schränken der polizeilichen Beobachtungs- und Dokumentationseinheit (“BEDO-Truppe“). Eigentlich hätte das unnütze Beweis-Material direkt nach der polizeilichen Auswertung vernichtet werden müssen. Doch mit dem Datenschutz hat es die Bremer Polizei offensichtlich jahrelang nicht so genau genommen.

Die Entdeckung hat Datenschützer Walz gestern in seinem „21. Jahresbericht“ öffentlich gemacht und beanstandet. Das Bildmaterial – Fotos und Videocassetten – war bis zu 13 Jahren alt, besonders viele Bilder und Videos stammten vom Anfang der 90er Jahre. Inzwischen sind 113 von 130 Videobänder und die fraglichen Fotos vernichtet worden. Obwohl Walz weder „Böswilligkeit“ noch eine „weitere Verwendung“ der Bilder vermutet, war es für ihn Grund genug, beinahe seine schärfste Waffe auszupacken: Der Vorfall sei erheblich genung, daß er eine förmliche Beanstandung hätte aussprechen können, schrieb Walz in seinem Bericht. Lediglich die schnelle Einsicht der Polizei und ihre „konsequente Löschaktion“ hätten ihn davon abgehalten. Für die Zukunft forderte Walz eine bessere rechtliche Schulung der BEDO-Truppe (die ihrer Arbeit nicht hauptamtlich nachgeht) und klarere Regeln, wer die Film- und Fotoarbeiten in Auftrag geben darf.

Auslöser für die Recherchen des Landesdatenschutz-Beauftragten war die 1. Mai-Demonstration 1998. Nachdem die taz von einer Filmaktion der Polizei aus einem Cafe am Wall heraus berichtet hatte, wurde die Rechtmäßigeit der Videoaufnahmen überprüft. Zwar hatte Walz an dem Vorgehen der Polizei an diesem Tag nichts auszusetzen – doch bei einem Besuch der BEDO-Truppe entdeckte er das schlampig geführte Bildarchiv.

„So gab es z. B. Fotos von Demonstrationsteilnehmern, ohne daß Ausschreitungen oder verbotene Gegenstände oder vermummte Personen zu erkennen waren“, schreibt Walz. „Die Erforderlichkeit der Aufbewahrung konnte nicht begründet werden. Gleiches gilt für einen großen Teil der bis zum Anfang der neunziger Jahre zurückreichenden etwa 130 Videobänder.“ Oft war nicht nachzuvollziehen, wer die Bilder in Auftrag gegeben hatte, wieviele Kopien gezogen worden waren und wo sie gelandet sind.

Die Polizei hat offensichtlich geschlampt. Seit 1989 sind die Regeln für das Erfassen und Löschen von Bildmaterial im Paragraphen 12 a des Versammlungsgesetztes klar geregelt. Anlaß für die Neufassung des Gesetzes waren die schweren Auseinandersetzungen am Atomkraftwerk Brokdorf. Seitdem dürfen Bild- und Tonaufzeichnungen nur noch angefertigt werden, wenn es Anhaltspunkte gibt, daß von der beobachteten Veranstaltung „erhebliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgehen“. Gelöscht werden müssen die Daten unverzüglich, soweit sie nicht für die Verfolgung von Straftaten von Teilnehmern benötigt werden. Eigentlich, so sollte man meinen, würde der Datenschutzbeauftragte der Polizei ein Auge auf solche Dinge werfen.

„In einen Polizeicomputer kommt man immer noch recht schnell rein – das rauskommen ist weitaus schwieriger“, sagte Walz. Für ihn sind die gesammelten Daten „Ladenhüter, mit denen man gar nichts mehr anfangen kann“. Allerdings geht Walz davon aus, daß sich nach dem Vorfall das Gebahren der Polizei nun verändern wird.

„Die Versäumnisse sind geheilt“, sagt auch Polizeipressesprecher Helmut Walter. Doch besonders hochhängen will er die ganze Angelegenheit nicht: In seinen Augen hat es sich ohnehin eher um eine lose Sammlung von Cassetten und Bilder und weniger um ein Archiv gehandelt. Inzwischen sei aber eine Arbeitsgruppe eingesetzt worden, die gewährleisten soll, daß es in der Zukunft nicht wieder zu solchen Pannen kommt. Walter ist sich sicher: „Das wird nicht wieder vorkommen.“ Christoph Dowe