Veränderung der Welt: Courage à la Gubitz

■ Sie hatten Chuzpe, kämpften gegen die Nazis und wollten die Welt verändern – „Südosten“ ist ein Filmporträt über das Ehepaar Gubitz von der Videowerkstatt autofocus

Antifa in Kreuzberg – erinnert an autonome Demonstrationen mit anschließenden Straßenschlachten am Kottbusser Tor. Ilse und Richard Gubitz, beide über 80 Jahre alt, passen so gar nicht in dieses Bild. Die beiden Uralt-KreuzbergerInnen gehörten zu den wenigen Menschen, die in Deutschland Widerstand gegen das NS-Regime geleistet haben. Ein von der Berliner Videowerkstatt autofocus erstelltes Filmporträt über die beiden läuft jetzt in den Kinos an.

Noch einmal wandeln sie – von der Kamera dezent begleitet – auf den Spuren ihrer Jugend durch Kreuzberg. An der Hauswand von Richards Elternhaus, wo er sich mit seiner achtköpfigen Familie eine Einzimmerwohnung im Hinterhaus teilen mußte, kleben aktuelle Antifaplakate in türkischer und deutscher Sprache. Im heutigen Kato unter dem U-Bahnhof Schlesisches Tor trafen sich damals „die ansonsten verfeindeten sozialdemokratischen und kommunistischen Jugendlichen beim Bier und beim Tanz“, erinnert sich Ilse Gubitz.

Die Schneiderei, in der sie ihre Ausbildung machte, gibt es schon längst nicht mehr. Doch sie erinnert sich noch gut an die junge Kollegin, durch die sie politisiert wurde. Auf die spöttische Frage eines Konservativen, wer denn ihrer Meinung nach die Welt verändern wird, antwortete sie selbstbewußt: „Die werden sie verändern, denen sie nicht paßt.“

„Natürlich wollten wir die Welt verändern“; der Untertitel des Films war auch die Maxime der Eheleute Gubitz. Schon in jungen Jahren waren sie aktive JungkommunistInnen. Dazu gehörte in denletzten Jahren der Weimarer Republik auch die Verteidigung gegen SA-Überfälle. „Gelegentlich warfen wir beim SA-Sturm-Lokal die Fensterscheiben ein“, erzählt Richard Gubitz mit schelmischem Grinsen. Unter den Nazis setzten sie ihre politischen Aktivitäten fort, hielten in Sportlerkneipen oder in Zeltstätten am Berliner Stadtrand illegale Parteisitzungen ab und versuchten ihre illegal gedruckten Flugblätter unter die Leute zu bringen. Doch der nationalsozialistische Terrorapparat riß immer größere Lücken in ihre Reihen. Auch die Gubitz' konnten sich häufig nur durch Glück und unglaubliche Zufälle vor der Verhaftung retten. So als sie jüdische Bekannte versteckten und vor der Deportation in die Vernichtungslager bewahrten. Ob aus Eigenantrieb oder in Absprache mit ihrer illegalen Partei bleibt offen. Auch hier verzichteten die FilmemacherInnen auf Kommentare oder Nachfragen.

Als die Rote Armee schon die Vororte von Berlin ereicht hatte, verhinderte das Ehepaar gemeinsam mit AltgenossInnen die von den Nazis vorbereitete Sprengung einer strategisch wichtigen Brükke. Die Freude über ihre bevorstehende Befreiung wird ihnen vergällt. Ein langjähriger Freund und Mitkämpfer wird von SS-Leuten erschossen, bevor sie sich aus dem Staube machten.

Die Kamera begleitet die alten Leute zu den Schauplätzen im Osten Berlins und fängt das Ambiente der Umgebung ein. Anders als in Kreuzberg prangen an den Wänden der Vorortbahnhöfe Hakenkreuze und Naziparolen. Ein notwendiger Film gerade in einer Zeit, wo viele von der NS-Zeit am liebsten nichts mehr hören wollen und manche gar wieder daran anknüpfen würden. Peter Nowak

„Südosten ... natürlich wollten wir die Welt verändern“. Premiere: 22. April um 18.45 Uhr im fsk-Kino am Oranienplatz (läuft dort bis 28. 4.) Ab 2. Mai läuft er im Lichtblickkino in der Kastanienallee 77