■ Die Nato will Kampfhubschrauber im Kosovo einsetzen
: Der Bodenkrieg rückt näher

Dem tapferen Volk der Apatschen wurde stets besonderes kriegerisches Geschick nachgesagt. Wenn man den Lobeshymnen aus den USA Glauben schenkt, stand dieser Mythos Pate bei der Bezeichnung für jene 24 Kampfhubschrauber AH-64, die auf Anforderung von Nato-Befehlshaber Clark demnächst ihre Ausgangsstellungen in Albanien einnehmen. Ihren legendären Ruf begründeten die AH-64 im Golfkrieg. Angeblich mehr als 500 irakische Panzer gingen auf das Abschußkonto ihrer lasergesteuerten Hellfire-Raketen. Die panzerbrechende „Wunderwaffe“ mit dem Nato-Code „Task Force Hawk“ soll den Verlautbarungen zufolge jetzt erreichen, was den Luftangriffen bisher nicht beschieden war: der Schutz der verbliebenen albanischen Zivilbevölkerung im Kosovo vor Übergriffen der jugoslawischen Armee und der paramilitärischen Milizen. Verheerende Irrtümer der Bomberpiloten – wie die der vergangenen Woche – sollen so ausgeschlossen werden.

Ob dieses Kalkül wirklich realistischer ist als die vielen früheren Fehlannahmen, bleibt offen. Worüber jedoch kaum mehr Zweifel besteht, ist eine schleichende Verwandlung der bisher politisch erfolglosen Luftoperation in einen Krieg am Boden, auch wenn dies in der offiziellen Diktion der Nato vorläufig noch immer als Anathema gilt. Daß jedoch mehr als 2.000 Infanteristen den Personalbestand der zweisitzigen Hubschrauber ergänzen, deutet darauf hin, daß die von Militärplanern längst als Bedingung für militärischen Erfolg apostrophierte „verbundene Gefechtsführung“ allmählich Gestalt annimmt. Auch die angekündigten flankierenden Schutzmaßnahmen für die Helikopter – Artilleriebeschuß von Stellungen im Kosovo aus gegen Luftabwehrstellungen im Kosovo und die Stationierung von Raketenabwehrsystemen in Albanien – liefern hierfür Indizien. Die politische Schwelle zum Einsatz von Bodentruppen wird in den USA und anderen Nato-Ländern rasch sinken, sind erst breite und tiefe Schneisen in das Kriegsgebiet geschlagen, die nur noch geringen Widerstand der jugoslawischen Armee erwarten lassen.

Viel spricht dafür, daß wir einem Einrücken von ersten Truppen in solche Schneisen viel näher sind, als dies die nebulösen Debatten über einen „Bodenkrieg“ vermuten lassen. Der Einsatz der Hubschrauber und die gleichzeitige Verstärkung der Heeres- und Luftlandekontingente im Umfeld des Kosovo bereiten das Terrain für begrenzte Stoßoperationen der Infanterie zur Bildung von Korridoren und die Kontrolle von Straßen und anderen Zufahrtswegen. Wird das militärische Risiko solcher Operationen überschaubar, ist es zur politischen Einsatzentscheidung nur noch ein kurzer Schritt. Hans Joachim Gießmann

Mitarbeiter am Institut für Friedensforschung an der Uni Hamburg