Auge um Auge, Zahn um Zahn

In Indonesien zünden Muslime eine Kirche an, nachdem Unbekannte in Jakartas zentraler Moschee eine Bombe gezündet hatten. Angst vor weiterer Eskalation  ■   Von Jutta Lietsch

Bangkok (taz) – Die Rache kam schnell und zeigt, wie gespannt und unberechenbar die Situation im riesigen Inselreich Indonesien derzeit ist: Nachdem am Montag eine Bombe in der zentralen Moschee von Jakarta explodierte, ging wenige Stunden später eine aufgeputschte Menge gegen Gebäude der katholischen Gemeinde von Ujung Pandang los – auf der Insel Sulawesi, 1.400 Kilometer östlich von Jakarta. Innerhalb kürzester Zeit brannten die Kirche und die benachbarte katholische Schule. Noch gestern patrouillierten in der Stadt muslimische Männer, die vorbeifahrende Autos anhielten und nach Christen fahndeten, berichten Polizisten.

Wer hinter dem Anschlag auf die al-Istaqlal-Moschee im Herzen der Hauptstadt steckt, ist noch nicht klar. Rund 300 Gläubige beteten in der Haupthalle, als die Bombe am Nachmittag im Keller hochging, wo sich mehrere Büros befinden. Offenbar war sie vor dem Zimmer des Nationalen Rates der Religionslehrer (Ulemas) abgelegt worden, einer der wichtigsten muslimischen Verbände mit landesweit mehreren tausend Mitgliedern. Obwohl die Detonation geringe Schäden anrichtete und niemand schwer verletzt wurde, ist die symbolische Wirkung enorm: Die Istaqual-Moschee ist die größte in Südostasien und das Zentrum der mit 180 Millionen Indonesiern stärksten muslimischen Gemeinschaft der Welt.

Politiker und christliche wie muslimische Religionsführer beschworen die Indonesier inzwischen, ruhig zu bleiben. „Dieser Akt könnte einen Konflikt zwischen den verschiedenen Religionen heraufbeschwören“, warnte Präsident B. J. Habibie. Muslime „dürfen sich nicht durch die Bombe provozieren lassen“, forderte er.

„Es ist, als ob eine Bombe im Petersdom von Rom explodieren würde“, sagte ein Sprecher der muslimischen Vereinigten Entwicklungspartei (PPP). „Irgend jemand spielt mit dem Feuer.“ Der Verdacht: Diese Unruhen seien gezielt geschürt worden, um die ersten demokratischen Wahlen am 7. Juni zu verhindern.

Rund 85 Prozent der 200 Millionen Indonesier sind Muslime. Erst vor kurzem hat die Armee die jüngste Welle der religiös verbrämten Gewalt – zumindest weitgehend – unter Kontrolle bekommen. Auf den Molukken-Inseln und in einigen anderen Regionen sind seit Anfang des Jahres rund 300 Christen und Muslime ums Leben gekommen – nachdem soziale Spannungen zwischen verschiedenen Volksgruppen in einen blutigen Kampf zwischen den Religionsgemeinschaften mündeten.

Südsulawesi zählt ebenfalls zu den Krisenherden in Indonesien – ähnlich wie die Molukken und Westkalimantan auf der Insel Borneo, wo kürzlich Hunderte ermordet und Tausende vertrieben wurden. Auch hier könnte es, so fürchten viele Indonesier, bald losgehen: seit längerem brodeln Konflikte zwischen alteingesessenen Einwohnern und Neuzuwanderern von anderen Inseln.

Armeechef Wiranto hat geschworen, seine Truppen würden Ausschreitungen gegen Moscheen und Kirchen notfalls mit Gewalt verhindern. Doch die 500.000 Soldaten und Polizisten sind völlig überfordert. Zwar stehen nun Wachen vor der Nationalen Moschee von Jakarta und vor dem katholischen Dom wenige hundert Meter entfernt. Doch es ist unmöglich, alle Moscheen, Kirchen und Tempel des Landes zu schützen.