Sofas in Gänseblümchenfeldern

■ Schön maulfaul: Couch aus München und Jullander aus Hamburg feiern ihr Familientreffen ohne das Unwort „Postrock“

Es gibt ein paar verbotene Wörter. Sie wurden so oft und für so verschiedene Dinge gebraucht, daß manche Leute davon kleine rote Pusteln am ganzen Körper bekommen. „Postrock“ ist so ein Wort. Deshalb soll jetzt nicht von „Postrock“ die Rede sein. Lieber von „zeitgemäßer Rockmusik“. Das klingt zwar auch nicht viel besser, wenigstens hängt daran aber nicht derselbe Schwanz musiktheoretischer Debatten über die Zukunft des Rocks, über Körperlichkeit, über den Track, über .... Nein, lassen wir das! Reden wir lieber über zwei Bands, die solche „zeitgemäße Rockmusik“ machen anstatt Rock überwinden zu wollen, die mathematisch klingen, ohne nur auf Computer zurückzugreifen. Reden wir also über Couch und Jullander.

Als Couch ihr zweites Album Etwas benutzen in die Kitty-Yo/Kollaps/Hausmusik-Gemeinde warfen, fühlten sich viele durch die minimalistischen Instrumentals der Münchner an US-Spätcore-Heroen wie Codeine oder Slint erinnert. Seitdem hat sich zwar die tüftelige Arbeitsweise der Band – Konstruktion der Songs am Computer, Perfektion und Performance auf konventionellen Instrumenten – nicht wesentlich geändert, trotzdem ist bei Couch eine Menge passiert: Schlagzeugerwechsel, Aufstockung des Trios um Keyboards, mehr elektronische Klänge.

Kein Wunder, daß auch das neue Album Fantasy anders klingt: Poppiger, freundlicher und melodischer. Dachte man früher an einen dunklen Kellerraum mit ein paar düster dreinblickenden Typen, die sich stirnrunzelnd über ihre Gitarren beugen und zum Lachen auf Klo gehen, so sieht man diesselben jetzt im Geist auf einer gänseblümchenübersäten Frühlingswiese stehen. Gesungen wird natürlich trotz aller guten Laune noch lange nicht – jedoch bestimmt nicht aus ideologischen Gründen, wie Gitarrist Jürgen Söder versichert.

Die Hamburger Jullander sehen das etwas lockerer: Gitarrist Andi Schoon spricht schon ab und an mal ein paar Sätze ins Mikro – allerdings sehr selten und mit ziemlich vertrackten Botschaften. Wenn man weiß, daß Slints 1991er-Album Spiderland das große Vorbild des Quartetts ist, wird vielleicht klar, warum Jullander auf ihrem Ten-Inch-Album Im Dunkeln genauer ein bißchen so klingen wie ihre Münchner Kollegen und Brüder im Geiste auf Etwas benutzen. Und weil in der deutschen Spätcore/Instrumental-Mini-Szene ohnehin fast jeder mit jedem befreundet ist, teilen sich Couch und Jullander nicht nur ihre musikalische Grundüberzeugung, sondern praktischerweise auch gleich den Produzenten: Couch-Bassist Michael Heilrath hat das ambient rockende Im Dunkeln genauer aufgenommen.

Wenn im Molotow Nord und Süd gemeinsam im Rauschen und Plinkern der Gitarren versinken, wird das also fast eine Art Familientreffen. Und auf solchen friedlichen Anlässen sollte man sich wirklich nicht darüber streiten, ob das Gehörte jetzt Rock, Postrock, Spätcore oder was auch immer ist. Einigen wir uns darauf: Es ist einfach gute Musik.

Kristina Maroldt Mi, 28. April, 21 Uhr, Molotow