Postindustrielle Resteverwertung

■ Mamady Keita und Les Tambours du Bronx eröffneten mit ganz unterschiedlicher Drum-Akrobatik das 23. Jazzfestival

Herbeigetrommelt wurde das Publikum zum Auftakt des diesjährigen Jazzfestivals der Fabrik. Mit der Präsentation zweier grundverschiedener Drum-Projekte wurde ausgelotet, was unter dem weiten Herz des Jazz noch faßbar ist. Der Djembe-Spieler Mamady Keita mit seiner siebenköpfigen Gruppe Sewa Kan stand für die afrikanischen Wurzeln aller Rhythmen, die Les Tambours Du Bronx für eine postindustrielle Resteverwertung mit Mad-Max-Attitude.

Als der vielleicht bedeutendste Virtuose seines Instruments gilt Mamady Keita aus Guinea. Mehr als an Bühnenauftritten ist der ehemalige Leiter des Nationalballetts heute am Unterricht interessiert. Schade, denn der 49jährige trommelt mit seinen bloßen Händen so schnell, daß sie beim besten Willen nicht mehr scharf zu sehen sind. Dabei ist alle Könnerschaft nicht Selbstzweck: Wie schon die fest zum Ensemble gehörende Tänzerin zeigt, ist diese Musik unmittelbar für den Tanz bestimmt. Der Name der Band leitet sich von einem Sprichwort der Malinke-Sprache ab: „Ohne Musik keine Freude. Aber ohne Freude keine Musik“.

Für die zweite Gruppe des Abends aber ist nichts so fern wie Freude. Man möchte der gespielten Wut von Les Tambours Du Bronx nicht auf der Straße begegnen. Widerstand ist zwecklos. Treibt einen der Lärm der Ölfässer nicht gleich in die Flucht, entwickelt diese aus 22 Quellen gefütterte Soundwalze hypnotische Kraft. Sie ist Lärmorgie und Vandalenventil – ein zeitgemäßes Purgatorium, die Deutung als Kulturkritik wirkt eher aufgesetzt.

Die bereits im Vorfeld des Festivals ausführlich geführte Debatte, was Jazz sei, erscheint ziemlich akademisch. Aber diese in schwarzer Bühnenuniform auftretende, sauber choreographierte Aggression hat sicher weniger mit Jazz, als mit totalitär angehauchtem Kitsch zu tun, der die Kritik allzu oft zu archaischen und postapokalyptischen Vergleichen hinreißt.

„Das ist Kosovo!“ sagte jemand, der sich auskennt. Aber war er nun Fachmann für Kampfhorden oder einfach Showprofi?

Hajo Schiff