Bomben-Stimmung in der GAL

Hamburgs Grüne vor der Zerreißprobe: Am Sonntag beschließt der Parteitag über Position zum Nato-Krieg gegen Jugoslawien  ■ Von Sven-Michael Veit

Wenn gebombt wird, bleibt das Soziale auf der Strecke. Der Krieg in Jugoslawien und dessen Folgen fürs grüne Selbstverständnis werden die beherrschenden Themen auf der Mitgliederversammlung (MV) der GAL am Sonntag in der Handwerkskammer sein. Hamburgs Grüne sind damit nach Bremen der zweite Landesverband, der vor der Bundesdelegiertenkonferenz (BDK) am 13. Mai in Hagen seine Position zum Kosovo-Krieg von der Basis festlegen läßt.

Ursprünglich war die MV terminiert worden, um eine Grundsatzdebatte über die Hamburger Sozialpolitik zu führen, mit der die GAL im höchsten Maße unzufrieden ist. Diese Diskussion wird nun, wenn überhaupt, nur am Rande geführt werden, erklärten die GAL-ParteisprecherInnen Kordula Leites und Peter Schaar gestern bei der Vorstellung der Tagesordnung: „Die Entwicklung hat unsere Planungen überrollt.“

Daß sie nicht auch die Partei überrollt, ist die größte Sorge der beiden GAL-ChefInnen, die die MV nicht zur Zerreißprobe werden lassen möchten. „Niemandem wird ein Bekenntnis für oder gegen die Position der rot-grünen Bundesregierung abverlangt werden“, prophezeit Realo Schaar. Für viele GALier, weiß aber auch die Linke Leites, entscheide sich am Kosovo-Krieg „die individuelle Perspektive mit und in dieser Partei“. Übereinstimmung gebe es quer durch alle Flügel und Strömungen lediglich darüber, daß „die Rückkehr zur Politik notwendig ist“. Wie und zu welcher, ist vollkommen offen.

Deshalb werde die MV, die beide SprecherInnen ausdrücklich als „Forum zur Meinungsbildung für die BDK in Hagen“ betrachten, von jeglicher Parteitags-Regie frei sein. Beide erwarten eine mehrstündige „kontroverse und völlig ergebnisoffene Diskussion“, die nicht durch ein im Vorweg ausgekungeltes Kompromißpapier gelenkt werden solle. Ein Leitantrag des Landesvorstandes gilt als äußerst unwahrscheinlich: „Es ist sehr schwierig, einen gemeinsamen Antrag zu formulieren“, erklärt Schaar freimütig. Alles andere als „ein konsensuales Papier“ aber sei eine zusätzliche Belastung „in dieser Schicksalsfrage für die Grünen“.

In den Bezirken Nord, Altona und Bergedorf scheinen derzeit die Gegner der Nato-Angriffe auf Serbien die Oberhand zu haben. In Beschlüssen wird die „sofortige“ Beendigung des Krieges in Jugoslawien gefordert. Neben Parteichefin Leites unterzeichneten auch sechs Mitglieder der Bürgerschaftsfraktion einen entsprechenden bundesweiten Appell. Die Unterstützer der Linie des grünen Außenministers Joschka Fischer hingegen sind eher wortkarg, mit Ausnahme von Martin Schmidt. Den Militäreinsatz jetzt zu beenden, so der stellvertretende Fraktionschef, „wäre ein Sieg für Milosevic“.

Aus den unterschiedlichsten Quellen in der GAL ist derzeit die Vermutung zu hören, daß es am Sonntag nicht zum Eklat kommen werde. Am wahrscheinlichsten sei es, daß ein „weiches“ Positionspapier verabschiedet werde, das den Hamburger Landesverband nicht auseinanderreiße. Was allerdings nach der Hagener BDK am Himmelfahrtstag passieren könnte, mag niemand so recht offen aussprechen: Über Parteiaustritte wird bereits heftigst gemunkelt, selbst die Spaltung der GAL ist zu einer realen Gefahr geworden. Und mindestens zwei prominente Hamburger Grüne, die ungern genannt werden möchten, erwägen im Fall der Fälle, „nach einer Schamfrist zur SPD zu gehen“.