Fitneßtraining im Kampfanzug

Sport auf Befehl: Beim BodyDrill, einem militärisch aufgemachten Zirkeltraining, holt ein Drill-Instructor mit Trillerpfeife und Stoppuhr alles aus seiner Truppe raus. Vor allem Männer stehen auf den harten Trainingsstil    ■ Von Anja Brockmann

Die Fitneßsoldaten warten auf den Appell im Kursraum. Statt Nato-Grün dominiert neonfarbener Stretch. Zumindest bei den Frauen in den knappen T-Shirts. Die Männer tragen lieber Fallschirmseide am Körper. Die meisten kennen nur einen Feind: das Fett. Das wollen sie bekämpfen. Vor allem die Schlanken. So wie Sandra. Und damit das leichter geht, braucht sie „Drill und Respekt“.

Ebendas verspricht BodyDrill, ein patentiertes Fitneßerlebnis der Unternehmensberatung „Inline“. Seit zehn Jahren tüftelt die Dorstener Firma an Sportkonzepten für die Spaßgeneration und beliefert damit deutschlandweit mehr als 400 Fitneßcenter. „Gut ist, was ankommt“ lautet das Motto von Inline. Und das ist jetzt eben „Gruppenmotivation im Militärstil“: Sport nach Befehlen eines Drill-Instructors, der mit Pfeife, Stoppuhr und in Militärkluft alles aus seiner Truppe herausholt.

Diese Rolle übernimmt heute Julio Sans. Der hat seinen Kampfanzug schon angezogen. Wehrdienst hat er nie geleistet. Ist aber auch gar nicht nötig. „Military ist ein Modetrend“, sagt Julio, „ich sehe das von der Spaßseite aus.“ Eine Kursteilnehmerin hat sich trotzdem vorsichtshalber bei der Anmeldung erkundigt, ob sie mitmachen dürfe, obwohl ihr Freund Kriegsdienstverweiger sei.

Martina Falk, Besitzerin des Sportclubs, glaubt an den Erfolg von BodyDrill. Muß sie auch, denn sie ist hier Vertreterin der Berliner Inline-Zentrale. Für sie steht fest: „Die Menschen müssen im Alltag schon genug Entscheidungen treffen. Die sehnen sich danach, wenigstens für eine Stunde die Verantwortung abzugeben.“ Olaf hingegen hat sich schwer Gedanken darüber gemacht, was er zum BodyDrill anziehen soll: weißes Trägerhemd mit Tarnmuster und schwarze Lederhandschuhe ohne Finger. „Nur so als Gag“, sagt er. Wie die meisten Männer hier hofft er, daß BodyDrill „richtig weh tut“.

Julio Sans rückt inzwischen Bodenmatten, Hanteln, Trainingsräder und eine Bank in kleinen Gruppen zusammen. Heidi und Alex helfen mit. Weil sie demnächst die BodyDrill-Kurse leiten sollen, tragen sie ein Gutelaunegesicht und Armeeanzüge. Der von Heidi ist sogar echt. Geliehen von einem britischen Fallschirmjäger.

Julio springt aufs Podest. „Dips, Crunches, Rückenheber, Spinning“, erklärt er der Gruppe mit ernstem Gesicht und zeigt mit dem Finger auf die Gerätestationen. Keine Zeit für große Worte.

Julio zieht die Kappe in die Stirn, atmet noch einmal tief durch, schiebt eine CD ein und springt aufs Podest. Kurzes Aufwärmen. Dann wird der Rhythmus schneller und Julios Gesicht finsterer. „Marching, marching!“ dröhnt er. 60 Füße leisten stampfend Gehorsam. Aber nicht lange. Schon macht der erste schlapp. Mit hochrotem Kopf sinkt er auf die Bank an der Wand. Julios Miene bleibt regungslos. Das ist hier nichts für zarte Gemüter.

„Tiefer!“ treibt er die Gruppe an. „Noch vier, noch drei, noch zwei, noch einen!“ rufen die Schwitzenden ihm glücklich entgegen. Julio gibt ihnen, was sie wollen, und angelt nach der Trillerpfeife. Ein schriller Pfiff läßt ein paar Frauen zusammenzucken. „An die Stationen!“ brüllt Julio, fast so schön wie einst Jürgen Prochnow im „Boot“. Die Gruppe läuft auseinander. Jeder weiß, was er zu tun hat, jetzt gilt's! Rauf auf die Fahrräder, ran an die Hanteln, runter auf den Boden. Liegestütze, Klappmesser, Runden laufen. Wie früher beim Schulsport.

Julio läuft beschwingt von Station zu Station. „Nicht schlappmachen! Weiter so!“ treibt er die Trupps an. Die ersten Schweißtropfen fallen zu Boden. Nach zwei Minuten ist der Spuk vorbei. Die Gruppe kehrt zurück in Reih und Glied und will „bequem stehen“. Doch schon trifft sie Julios strenger Befehl. „Nicht stehenbleiben! Marching!“ Alle traben auf der Stelle, während er die CD wechselt. Ein paar Frauen nutzen die Gelegenheit und begehen Fahnenflucht. Nicht wegen der Schmerzen. Die kennen sie von Callanetics und Fatburner-Kursen. Doch da sind die Trainer wenigstens nett. Auf das Gebrülle von Julio haben sie keine Lust.

Die anderen müssen noch zweimal an die Stationen. Alle halten durch. Dann wechselt Julio zum letztenmal die CD. Zur Belohnung dröhnt Status Quo, „You're in the army now!“

Die Männer sind zufrieden. War doch fast wie im Film. Sie schwören auf die Kameradschaft in der Truppe. „Je größer die Masse, desto besser die Stimmung.“ Sandra ist nicht so überzeugt. „Ja, ganz effektiv“, nickt sie zögerlich. So richtig gefallen hat ihr das „Bundmäßige“ zwar nicht. „Aber als Abwechslung ist das okay.“

Drill-Instructor Julio hingegen ist zufrieden. „Es macht Spaß, wenn man so richtig drücken kann.“