Johann-Günther König ist das Ideal jedes Wirtschaftsbosses: flexibel, mobil, lernwillig. Die Welt der Wirt-schaftsbosse ist deshalb noch lange nicht das Ideal dieses Bremer Buchautors. Ein königliches Gesprächsprotokoll

Unsere schöne, neue, liberalisierte Hire-and-Fire-Wirtschaftsordnung hat seinem Lebenslauf jede Menge Wellen verpaßt. Seine literarischen Interessen fügten noch einige Schnörkel und Windungen dazu. Außerdem führt Johann-Günther König die schizophrene Existenz eines Dauerneugierigen, der auf einem Markt einigermaßen erfolgreich reüssiert, den er Jahr für Jahr mehr durchschaut und zum Kotzen findet. Vielleicht eine Musterbiografie – scheckig gemustert – des ausgehenden Jahrtausends. In seiner Wohnung hoch überm Viertel mit unverstelltem Panoramablick auf die Cometjunkies bis hinüber zum Mittelmeer, umzingelt von Bücherwänden, Whiskyflaschen und Pfeifenköpfen, blickt König zurück – schmunzelnd, staunend und vergnügt, ja, das auch. Im Bücherregal: Ein Kuddelmuddel aus Fontane, Hemingway, Keith Haring, Aktfotobuch. Auf dem Tisch: Stapel herausgerissener Zeitungsseiten, englische und deutsche, darauf Vorstandsgehälter und Unternehmenskenndaten mit pinkigem Marker unterstrichen. Die Geschichte einer bemerkenswerten Verzwirbelung von Theorie und Praxis:

„Meine Eltern, wie Eltern nun mal sind, wußten genau, was aus mir zu werden hat: Versicherungskaufmann. Da ich in der Schule nicht der Schlauste war, hangelte ich mich mit Hängen und Würgen durch die Prüfungen. Den Fachoberschulabschluß allerdings kriegte ich ganz gut hin. Ich war also nicht zum Dauerdoofsein verurteilt. Während eines Praktikums hier bei der Agrippina-Versicherung habe ich Kurzgeschichten vor mich hin geschrieben und mich entsetzlich gelangweilt. Ich hab' das aber überlebt, Gott sei Dank. Das Praktikumszeugnis fiel entsprechend aus. Brav wie ich war, verpflichtete ich mich bei der Bundeswehr für zwei Jahre. Die versuchten aus mir einen anständigen Offizier zu machen, wie sich das gehört. Doch das scheiterte am Atomkriegunterricht. Da lernte man, wie man kleine Gräben schaufelt, um Schutz zu suchen. Bodenloser Schwachsinn. Das habe ich in meinem zweiten Gedichtband verarbeitet. Also habe ich verweigert. Durch die dritte Instanz paukte mich übrigens die Kanzlei Heinrich Hannover.

Ich beschloß, mich anstatt für das Versicherungswesen gleich für die ganze Gesellschaft einzusetzen, trat der Deutschen Friedensgesellschaft bei und studierte SozPäd. Promoviert habe ich aber an der philosophischen Fakultät, und zwar über Kinderbüchereien, das war im Rahmen eines Projekts zum Thema Kindheit als Fiktion, die Auflösung von Kindheit in modernen Gesellschaften, Philippe Aries, ja und dann dieses Buch von Neil Postman, was übrigens der größte Schwachsinn ist. Dann übersetzte ich wissenschaftliche Texte aus dem Englischen – unter anderem für Suhrkamp, so etwa für 24 Mark die Seite. Doch eine dänisch-amerikanische Firma zahlte besser. Also übersetzte ich Handbücher über Telex. Für Marketingblabla kriegst du richtig Geld. Und das brauchte ich, weil zwei kleine Kinder bei uns durch die Gegend flogen. Doch diese Firma brauchte nicht nur Texte, sondern auch deutsche Kunden. So wurde ich Mitarbeiter des Vertriebs und steuerte Banken an, mit dem Auto quer durch Deutschland, mit flexibler Arbeitszeit, ohne mich zu überarbeiten. So konnte ich nebenbei Bücher zur Regionalgeschichte schreiben, zum Beispiel über starke Bremer Frauen. Plötzlich, da war ich längst Geschäftsführer der deutschen Dependance, fand mein Boss mich nicht mehr nett und ich ihn auch nicht. Ich ging und schrieb ein Buch über „Bremen im Spiegel der englischen Literatur“. Dann durchforstete ich den Stellenmarkt und stieß auf Philips. Für die sollte ich hier in Deutschland einen Markt für PYE aufbauen, eine britische Traditionsmarke für Autoradios. Ich schuftete wie ein Idiot – für mich eine ganz neue Erfahrung. Die Verhandlungen mit Mediamarkt, Saturn-hansa, Coop etc. waren furchtbar unbarmherzig, aber auch furchtbar spannend. Kaum konsolidierte sich das Geschäft, wurde PYE eingestellt. Ich war heilfroh über die wiedergewonnene Freiheit und todunglücklich über die Vernichtung der Ergebnisse von drei Jahren Arbeit und über die ganzen Entlassungen. Es ist hart, wenn Leute schnöde abgewickelt werden, deren Lieblingswitze du kennst. Dann spielte ich ein Jahr Unternehmensberater: Ich sollte der Belegschaft eines Schwämme- und Putzlumpenherstellers helfen bei der Anpassung an die ISO- 9000-Zertifizierung. Darauf folgte natürlich wieder ein Buch, „Wem nutzt Europa“, über das powern der edlen europäischen Idee durch die gar nicht so edle Industrie. Dann arbeitete ich wieder zwei Jahre für meine erste Firma. Anschließend: mein neues Buch. Zur Zeit arbeite ich wieder für einen Kommunikationskonzern, jette zwischen London, Bremen, Frankfurt hin und her. Ich selber kann diese Stetigkeit des Wechsels durchaus genießen; daß dieses Wirtschaftssystem immer mehr Leute zu immer mieseren Konditionen dazu zwingt, ob sie wollen oder nicht, ist aber keineswegs fein.“ Protokoll:bk