Bye-bye, Marlboro Man

Ab heute dürfen die Tabakkonzerne in den USA für ihre Produkte nicht mehr auf riesigen Tafeln werben. Mehr Reklame in Zeitungen  ■   Aus Washington Peter Tautfest

Joe Camel und der MarlboroMan verlieren heute ihre dominierende Stellung. Nicht daß Zigarettenwerbung ganz verschwinden würde, aber von den großen Tafeln muß sie runter, die Amerikas Stadt- und Straßenbild beherrschen. Der Abbau aller sogenannten Billboards ist Bestandteil des Deals, den die Tabakindustrie mit 46 der 50 amerikanischen Bundesstaaten ausgehandelt hat.

Die außergerichtliche Einigung im Streit um die Kosten, die den öffentlichen Kassen durch Raucherkrankheiten wie Lungenkrebs entstanden sind, sieht vor, daß die Zigarettenindustrie nicht nur 206 Milliarden US-Dollar über 20 Jahre zahlt, sondern auch ihre Werbung drastisch reduziert. Und die Industrie zahlt für die Anti-Raucher-Werbung, die jetzt auf den 3.600 US-Billboards plakatiert wird: zum Beispiel das Foto des ehemaligen Marlboro Mans mit dem Hinweis, daß er an Lungenkrebs starb.

Was nun von denHauswänden entfernt werden mußte, gehörte über Jahrzehnte zum Stadtbild von New York, wie die Rauchringe aus Wasserdampf, die die Camel-Werbung am Times Square ausstieß. Oder diente als Orientierungshilfe, wie der Marlboro Man am Sunset Strip, der das umliegende Häusermehr von L.A. wie ein Leuchtfeuer überragte. Die Vermieter der Billboards, die pro Tafel zwischen 1.000 und 15.000 Dollar Miete kassieren, suchen nun angestrengt nach neuen Kunden.

Die Beliebtheit der Billboards für Zigarettenwerbung geht auf einen ersten Versuch zurück, die Werbung für Zigaretten einzuschränken. Anfang der 70er Jahre verzichtete die Industrie freiwillig auf Fernsehwerbung und kam damit einem drohenden Verbot zuvor. Auch jetzt geben die Tabakkonzerne, die jährlich 500 Millionen Dollar für Werbung ausgeben, nicht auf. Sie wollen sich nach Angaben der R. J. Reynolds Tobacco Corporation nun auf Werbung in Zeitschriften und Zeitungen, direkte Postsendungen und Werbeveranstaltungen nur für Erwachsene konzentrieren.

Zigarettenwerbung hat manchen Wandel durchgemacht. Lucky Strike warb zeitweilig damit, daß keine Zigarette von mehr Ärzten geraucht würde. Keine Werbung aber zog derart das Mißfallen der Zigarettengegner auf sich als die beiden obersten Rauchhelden Amerikas, Joe Camel und der Marlboro-Cowboy, die sich besonders gern in der Nähe von Schulen und in Stadtteilen von Minoritäten plazierten, wo dann auch das Rauchen überproportional stieg. Die Billboards sind freilich keine Erfindung der Zigarettenindustrie. Sie kamen auf, als Amerika die mobilste Gesellschaft in der Geschichte wurde. Entlang der Straße sorgten Billboards für Reiselektüre und sind inzwischen auch kulturelle Einrichtungen. „Eines Tages werden die Billboards mit Tabakwerbung in Kunstmuseen neben Patchworkdecken hängen und wir sie als Ausdruck amerikanischer Kunst sehen“, sagt der Architekt Robert Venturi.

Amerikas Kampf gegen das Rauchen treibt derweil seltsame Blüten. Die US-Post brachte in diesem Frühjahr zu Ehren des Malers Jackson Pollock eine Gedenkmarke heraus. Darauf sieht man den als „Jack the Dripper“ bekannten Maler in einem berühmten Foto aus dem Life-Magazins von 1949 vor einem seiner am Boden liegenden Tableaus hocken. Im Originalfoto hängt ihm eine Lulle im Mundwinkel, und kräuselnder Rauch steigt im farbverspritzten Atelier auf. Die Post hat den Glimmstengel einfach wegretouchiert. Gesundheit geht halt vor Kunst, ob auf riesigen Billboards oder kleinen Briefmarken.